■ Serie Denk-Mal: Das Gedächtnis des Ortes, Teil 5
: Erinnerungen einer Diva

taz: Sie waren populärer als jeder Spitzenpolitiker und jeder Filmstar. Wenn man Ihnen schreiben wollte, genügte die Postanschrift: „Halla in Deutschland“. Sie waren ein Star, eine Königin des Parcours. In Ihrer glanzvollen Laufbahn als Sportlerin haben Sie alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. In den Jahren 1952-1960 125 Siege, darunter zwei Weltmeisterschaften und drei olympische Goldmedaillen. Können Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolgs verraten?

Halla: Ach, wissen Sie, irgendwann hat man dieses gewisse Etwas, mit dem man jede Hürde nimmt. Aber dahin bringt einen nur harte Arbeit. Ich habe manchmal geackert wie ein Gaul. Und ganz wichtig: Vegetarische Kost.

Sie werden immer in einem Atemzug mit Ihrem Partner Hans Günter Winkler genannt. Sie schienen, wie mit ihm verwachsen. War es Liebe?

Na, ja, bei so einer Beziehung wird immer gerne gemenschelt. „Vernunftehe“ hat HaGeWe unser Verhältnis genannt – so nennt man es wohl, wenn einer immer oben sitzen will. Er hat sich ja gerne als Herr und Meister aufgespielt, wie Männer eben so sind, wenn man ihnen mal die Zügel überläßt. Er war ein junger Nobody als wir uns 1951 trafen und hätte ohne mich nie diese Karriere gemacht.

Ihr Partner hat sie mal als Mischung zwischen „Genie und irrer Ziege“ bezeichnet...

Ich glaube, HaGeWe hat meine Berühmtheit nie verkraftet. Die häufigste Frage, die ihm gestellt wurde, war: Wie geht es Halla? Dabei hat er mir heimlich gestanden, daß er meine Spezies für ziemlich dumm hält. Aus Imagegründen hat er mir wenigstens in der Öffentlichkeit eine Persönlichkeit und einen ausgeprägten Charakter zugebilligt.

Mit Ihrem Sieg bei den Olympischen Spielen 1956 sind Sie endgültig in die Unvergeßlichkeit gesprungen. Ihr Partner hatte sich eine schwere Leistenzerrung zugezogen und Sie mußten ihn regelrecht über den von Hindernissen gepflasterter Weg zum Ziel tragen. Wollen Sie unseren LeserInnen von diesem berühmten „Goldenen Ritt“ erzählen.

Ich muß Ihnen etwas gestehen: Das ist alles ein Mythos! Natürlich war HaGeWe gehandicapt. Aber trotzdem hat er mir im entscheidenden Moment die richtigen und notwendigen Hilfen gegeben. Ohne ihn hätte ich es nie geschafft. Wir haben das Märchen von meinem Alleingang nie widerlegt. So was macht sich gut in der Presse und bringt jede Menge Heu. Peinlich wurde es erst, als Horst Stern, ein Publizist, den Schwindel entdeckte. Er analysierte den Ritt auf Video und fand alles heraus. Zu unserem Glück hat er sich in der öffentlichen Meinung nie durchsetzen können und ich wurde weiterhin betrachtet wie ein Wundertier.

Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, Springen läge überhaupt nicht in Ihrer Art, sei widernatürlich. Wurden Sie je mit solchen unmenschlichen Methoden wie Stockschlägen auf die Beine – barren – auf Hochleistung gedrillt?

Kein Kommentar.

Man hat Ihnen schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. Seit 1978 stehen Sie in Bronze vor dem Haupteingang des Deutschen Olympia-Komitees im westfälischen Warendorf. Finden Sie sich getroffen?

Nun ja, es ist sehr ähnlich. Ich war leider nie, was man eine klassische Schönheit nennt. Zu lange Ohren.

1979, bei Ihrem Tod, schrieb die Bildzeitung, sie hätten ein „schönes Begräbnis“ auf dem Gelände Ihres Ziehvaters bekommen...

Da kann ich nur müde wiehern. Nachdem man mir die Spritze gegeben hatte, wurde mir zwar das Schicksal vieler ArtgenossInnen erspart – zu Tierfutter und Seife wurde ich nicht verarbeitet. Aber auch ich bin in der Tierkörperbeseitigungsanstalt gelandet und in Rauch aufgegangen. Besuchen Sie lieber mein Denkmal. Bascha Mika

Morgen: Die Externsteine