Der Junge von Bad Segeberg

■ Bei den Karl-May-Spielen erlebt Freddy Quinn seinen fünften Karriere-Frühling

Sie nähten ihm neue Vorhänge für die abgedunkelte Garderobe. Auf dem Sofa liegen Kissen, auf die sein Name gestickt wurde. Als Zeichen der Verehrung stapeln sich kleine Maskottchen auf den Regalen. Bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg ist eine kleine holperige Straße mit Kopfsteinpflaster gleich hinter den Kalkberghöhlen zum Wallfahrtsort geworden. Geduldig, teilweise stundenlang warten die Verehrer hier auf Freddy Quinn.

Seitdem der 63jährige Allroundkünstler als humoriger Kauz Sam Hawkins auf der Suche nach dem Ölprinzen im Wilden Westen Karl Mays reitet, ist das Areal rund um das Freilichttheater zu einem Treffpunkt Tausender Freddy-Quinn-Fans geworden. Dabei gibt es allerdings nicht das übliche Pop-Gekreische oder aggressives Gedrängel. Die Fans sind geradezu andächtig. Der Chef der Karl-May-Spiele, Ernst Reher, der schon viel um Stars wie Pierre Brice, Ralf Wolter und Raimund Harmstorf erlebte, berichtet: „Was sich rund um Freddy Quinn abspielt, hat die Form eines großen Respekts und einer inneren Hingabe. Es ist eine Verehrung der leisen Töne.“

Wenn Freddy Quinn als Sam Hawkins mit zerlumptem Kostüm und Stoppelbart verschwitzt den Weg vom Theater ins Garderobenhaus nimmt, nähern sich ihm die Fans mit Worten der Entschuldigung, greifen nach seiner Hand, klopfen ihm auf die Schulter oder versuchen, ihm etwas zuzustecken. Als ihm Bewunderer erzählen, daß sich die Soldaten in Somalia den Freddy-Quinn-Titel „Brennend heißer Wüstensand“ am häufigsten wünschen, meint Freddy Quinn trocken: „Ich bin Pazifist.“ Berliner Fans berichten ihm, daß in den Diskotheken bei Jugendlichen sein Titel „Heimatlos“ die Nummer eins ist und viele haben die alte Platten gleich dabei - für die Autogramme.

Die Hingabe seiner Fans rührt den Künstler an, weil sie ihn trotz der Unkenrufe vieler Kritiker bestärkt, eine breite Palette von künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu nutzen. Freddy Quinn, den 97 Prozent aller Deutschen kennen, hat sich nach eigenen Worten nie in eine künstlerische Schublade stecken lassen. Er begann vor gut 40 Jahren als Sänger. Dem Image als „der Seemann der Nation“ trotzt er heute noch, wenn er mit Stolz auf die Erfolge als Artist im Zirkus, Musicals und als Schauspieler verweist: „Ich bin nie mit dem Ist-Zustand zufrieden, sondern suche immer noch neue Herausforderungen.“ Die neueste ist nun, bei Regen, Wind, Kälte im Freilichttheater der Karl-May-Spiele auf dem Rücken eines Pferdes den Gangstern zu trotzen.

Was möchte der 63jährige als nächstes angehen? „Ich wünsche mir eine Fernsehserie, wo ich alle meine Erfahrungen als Sänger, Zirkusartist und Schauspieler einbringen kann.“ Seine Lebensphilosophie umschreibt Freddy Quinn mit den Goethe-Worten: „Denn es muß von Herzen gehen, was auf Herzen wirken soll.“

Wolf Jensen, dpa