: Heimische Hutschachtel
■ Alsterpavillon rührt Herzen und Widerspruchsgeist: Senatorin spricht von Heimat, Oberbaudirektor von Abriß
Ein Mann, der von Fettnäpfchen fasziniert zu sein scheint, ist der Oberbaudirektor der Stadtentwicklungsbehörde. Schon unter der Ägide von Bausenator Eugen Wagner war Egbert Kossak immer für einen Seitensprung von der offiziellen Linie gut. Und auch jetzt zügelt er seinen Drang zur Extravaganz nicht. Aktueller Lapsus: Seine Forderung nach Abriß des Alsterpavillons.
Das Gebäude steht auf dem Jungfernstieg „wie eine vergessene Hutschachtel“ – mit diesem Sinnbild heizt der Oberbaudirektor nun die seit Tagen von der CDU forcierte Diskussion über einen Neubau des maroden Cafés an. Ein Tritt in die Kniekehlen der SPD und der mit der Planung beteiligten Behörden: Hatte doch vor ein paar Tagen die SPD im Bürgerausschuß gemeinsam mit Finanzsenator Curilla und Wirtschaftssenator Krupp 2,6 Millionen Mark - unter Protest von GAL und CDU - für die Sanierung des Pavillons bewilligt, die der Pächter Günther Zapp, neben weiteren acht Millionen Mark, in einen modernen Cafébetrieb mit Kulturprogramm in dem alten Gehäuse investieren will.
Doch was für die einen „eine Perle der 50er Jahre“ ist, scheint den anderen zum finanziellen Faß ohne Boden zu geraten. Kossak bleibt bodenständiger: Der Alsterpavillon sei ein „anständiger Bau aus seiner Zeit“, urteilt er. Aber man könne mit seinem Abriß ein Signal für einen notwendigen Neuanfang am Jungfernstieg geben.
Die neuen Kapriolen des Oberbaudirektos erzeugten in der Wirtschafts- und Finanzbehörde nur müdes Achselzucken: Keine Umkehr von der eingeschlagenen Linie, hieß es gestern. Die Eintragung in die Denkmalschutzliste geht ihren Weg, tat auch Kulturbehördensprecher Hinrich Schmidt-Henkel kund. Aber: „Ein absolut marodes Gebäude kann trotz Denkmalschutz abgerissen werden.“
„Hilfe, Kossak mischt sich ein“, so der GAL-Fraktionsvorsitzende im Bezirk Mitte, Volker Nienstedten, gestern entnervt. Und hob zur Ode an den Alsterpavillon an: Der stehe „für den Hamburger Traum von Reichtum und Eleganz in der Zeit des Wiederaufbaus“, daher müsse er „unseren Kindern als herausragendes Exemplar dieser Epoche erhalten bleiben“.
Auch bei Steb-Senatorin Traute Müller scheint der Streit um das Gebäude tief verborgene Seiten zum Klingen zu bringen: Mit dem Senatsbeschluß zum Erhalt des Pavillons habe man der „immer öfter formulierten Fremdheit der Menschen in ihrer Stadt“ Rechnung tragen wollen. Ihre Mahnung: Die Parteien sollten die sich in der Kontroverse „ausdrückende Heimatliebe“ nicht für parteipolische Zwecke mißbrauchen. Und weiter im geschäftsmäßigen Ton: Die Äußerungen Kossaks zum Abriß des Alsterpavillons „geben nicht den Standpunkt der Behörde wieder“.
Sannah Koch
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