Das Unkraut Semper Vivum

■ Großartig einfach: Der Cato Bontjes van Beek-Platz, gestaltet von Veronika Maier

Ob nicht doch eine Figur, ein Springbrunnen oder etwas ähnlich Beschauliches auf den Platz komme. Nein, da muß Veronika Maier die Nachbarn enttäuschen. Keine schmucke Skulptur bekrönt den neuen Platz in Kattenturm, den die Künstlerin gestern der Öffentlichkeit übergab. Nur Erde, Stein und Pflanzen, soweit das Auge reicht. Widerstandsfähiges Zeug, das an eine vergessene Antifaschistin erinnern soll: Cato Bontjes van Beek, eine Künstlerin aus Fischerhude, die vor 50 Jahren, am 5. August 1943, von den Nazis hingerichtet wurde.

Das Bedürfnis nach einer repräsentativen, anschaulichen Platzgestaltung, wie es einige Anwohner äußerten, war nur eine von vielen Forderungen, zwischen denen Maier ihre Arbeit balancieren mußte. Am Anfang war da schon mal der gräßliche Platz an sich: ein totes Stück Straße samt angrenzendem Brachland; der traurige Rest eines ausgemusterten Verkehrskreisels an der Theodor-Billroth-Straße. Als „Straßentorso“ sollte das marode Ensemble erhalten bleiben, als stille Mahnung an die Sünden der Verkehrsplaner - so war es der Künstlerin zur Auflage gemacht worden.

Aber auch die Persönlichkeit der Cato Bontjes van Beek galt es auf dem neuen Platz zu würdigen. Schließlich mußte noch der Freizeitwert der Fläche einkalkuliert werden. Neben dem „Erinnerungsraum“ sollte auch „Erholungsraum“ geschaffen werden. Diesen vierfachen Spagat zu bewältigen, und dabei noch ein eigenes künstlerisches Konzept zu verwirklichen - das mutet nun eher halsbrecherisch an.

Veronika Maier kam ohne größere Schrammen davon: Ihr Konzept, das aus dem städtischen Wettbewerb 1992 siegreich hervorging, verbindet die vielen Anforderungen - und die Teile des zerfahrenen Platzes - mit großartiger Einfachheit. Auch wenn der Platz für Maier selbst „im Grunde überfachtet“ ist mit all den guten Absichten.

Da hat sie erst gar nicht versucht, das Unverbindliche irgendwie zusammenzukriegen und Straßentorso, Mahnmal und Grünanlage zu einer einzigen, symbolschwerschönen Piazza umzuschmieden. Stattdessen setzt Maier den Akzent auf das Erinnern: Ihre Erdarbeiten auf dem Platz lassen an Ausgrabungen denken, an die verschütteten Sediment-Schichten der Vergangenheit, an Untergründiges, das immer wieder ans Licht bricht. Spiralförmig führt ein Schotterweg ins Zentrum des Platzes, wo dann eben keine Bronzeplastik auf die Besucher wartet. Sondern: eine tonnenschwere, dicke Betonscheibe, die von zarten Weidenruten emporgehoben wird.

Das ist zwar kräftige Symbolik, aber fern von pathetischer Heldenverehrung. Und auch weitab jener großen Gesten, mit denen Künstler in früheren Projekten der Bremer „Kunst im öffentlichen

hierhin bitte

das Foto von dem

leeren Platz

mit Hochhäusern

Raum“ ihren volksaufklärerischen Attitüden Ausdruck gaben.

Wenn Veronika Maier sagt, sie habe „in Tiefe gehen“ wollen - dann ist das eine Absicht, die sie nicht jedem Platzbesucher gleich aufs Auge drückt. Die Spuren des Erinnerns zu finden, ist den Benutzern des Platzes schon selbst überlassen. Vielleicht kommen sie auch nur mal herüber, um sich auf die grünen Stufen zu setzen und die Beine baumeln zu lassen.

Wer sich aber niederläßt und die Assoziationen ins Kraut schießen läßt - der kann entdecken, wie alles auf diesem seltsam unförmi

gen Platz doch noch zusammenpaßt: die Betonplatte mit dem Asphalt der Kattenturmer Highways; die toten Straßen mit dem lebendigen Bewuchs; die widerborstigen Weiden mit dem zähen Gemüse, das entlang der Kanten des Spiralplatzes wächst. Blauviolette, fette Blätter, die Maier eigens kultivieren ließ. Aber zwischen diesem hartnäckigen Nimmergrün sprießen weiches Moos und feine Röschen, weißblühend: ein Unkraut namens „semper vivum“, ein zartes Pflänzchen Leben. Thomas Wolff

Foto: Norbert Müller