Durchs Dröhnland
: Damals zu Friedenszeiten

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Was kann man schon tun im Sommerloch? Alte Platten hören, sich an die längst verflossene Jugend erinnern oder noch weiter forschen und bei „2001“ in den CD-Regalen wühlen, wo sich mancher Schatz aus der Steinzeit der Popmusik für schlappe 4,90 Mark erwerben läßt. Diesen streng rückwärtsgerichteten Ansatz, der dem ereignislosen Sommer immerhin ein bißchen sinnvolle Kontemplation beschert, befriedigen auch die Space Hobos, das Trio aus einem Frankfurter und zwei Berlinern, die vormals bei den Raymen die Tollen wippen ließen. Das Repertoire der reinen Instrumental-Kapelle ist zwar unerschöpflich, aber doch zeitlich stark eingeschränkt auf die goldenen fünfziger und sechziger Jahre: „Batman“ von Link Wray, „Rebel Rouser“ von Duane Eddy, mal was von den Ventures oder die Titelmelodie von „Raumpatrouille Orion“. Am modernsten noch ihre Version der „Lindenstraße“-Erkennungsmelodie. Ein Großteil ihrer Coverversionen sind Adaptionen von B-Picture-Soundtracks, die in der umfangreichen Sammlung des Bruders von Gitarrist Space aufgestöbert werden. Angeblich sollen die Space Hobos zehn Stunden Programm bestreiten können, ohne daß sich ein Stück wiederholt. Eigenkompositionen sind bei der Übungswut notgedrungen Mangelware, doch als echte Archäologen steht ihnen der Respekt vor den gefundenen Relikten natürlich gut zu Gesicht. Dabei nehmen sie sich, und das ist für deutsche Musikanten besonders löblich, nicht ausnehmend ernst: Per Anzeige verdingt man sich gerne auch als Party-Kapelle für jeden Anlaß. Die so gewonnene Erfahrung macht die Space Hobos zum momentan sichersten Tip, was einen hitzig-stickigen Konzertabend betrifft.

Am 6.8. mit Zsa Zsa Buschkow um 22Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Wenn diese beiden sich jetzt, nach einigen Jahren mal wieder auf ein und derselben Bühne begegnen, dann wird das vielleicht eher Kaffekränzchen als Konzert. Dave Kusworth spielte jahrelang den Begleitmucker für seinen Kumpel Nikki Sudden, bevor er mit seinen Bounty Hunters eigene Pfade beschritt. Doch musikalisch entfernten sich die beiden nie allzuweit voneinander, Kusworth bewahrte fast noch mehr den gnadenlosen Hang zur Romantik, den tönenden Dackelblick und die ellenlang aus den Jackenärmeln hängenden Rüschen. Sudden und Kusworth standen schon immer so neben der Zeit, daß sie eigentlich niemals unaktuell werden können. Und vor allem kann man ganz wundervoll träumen bei ihrer Musik.

Am 7.8. um 21Uhr in der Spaceteria, Am Karlsbad 15, HH, 4.Stock, gegenüber der Nationalgalerie, Ecke Potsdamer Straße, Schöneberg

In diesen, was Konzerte angeht, doch recht dürftigen Tagen braucht es ausgerechnet ein Footballspiel, um ein paar richtig bekannte Acts zu Gesicht zu kriegen. Während die Buffalo Bills und die Minnesota Vikings ihr als „American Bowl“ getarntes, aber herzlich bedeutungsloses Vorbereitungsspiel auf die neue Saison im Olympiastadion abwickeln, spielt sich auf dem Maifeld das eigentliche Ereignis ab. Berliner setzen Baseballmützen auf und mampfen Hotdogs, Cheerleaders schwenken Puschel und auch ansonsten tobt die amerikanische Lebensart – die weiße wohlgemerkt.

Das musikalische Beiprogramm bestreiten dann natürlich wieder Schwarze: Ab 13.30 HipHop von Rob'n'Raz, ab 14.30 Reggae von Inner Circle und ab 16.15 Snap mit ihrem Mainstream- House, bekannt aus Funk und Fernsehen.

Am 7.8. auf dem Maifeld

Zu „Friedenszeiten“, wie das meine Lebensabschnittsbegleiterin zu nennen pflegt, gab es in der Hauptstadt der DDR den Brauch, die Sommerschulferien mit einem Konzert in der Freilichtbühne im Friedrichshain ausklingen zu lassen. Traditionell spielte am Tag, bevor das Schuljahr begann, Pankow.

Diesmal stimmt das Timing zwar nicht ganz, aber die inzwischen älteren Herrschaften sind nur fünf Tage zu spät dran. Ihr Rhythm & Blues ist zwar über die Jahre recht angestaubt und ohne den charismatischen Sänger André Herzberg, mit seinen dunklen Augen zeitweise der Schwarm jeder Ostberliner Frau zwischen 12 und 32, fehlt ihnen etwas die Bühnenpräsenz vergangener Tage, aber noch immer garantiert ein Pankow-Konzert neben geschmackvoll scheppernden Rhythmen einen horizonterweiternden Exkurs in die Vergangenheit, die gar nicht mal so lange her ist. Traurig nur, wenn Andreas Ihle den alten Hits mit seinem manchmal arg dünnen Stimmchen nicht gewachsen ist.

Am 8.8. um 22Uhr im Franz

Etwas aus dem Rahmen der Hamburger Szene, auf die wir hier immer zu Recht neidisch blicken, fällt Die Regierung. Deren Musik hat eigentlich überhaupt keinen Humor, oder einen völlig anderen. Über einem wirklich herben Bluesrock, der oft nur verschämt stockend vorwärtskommt, wird erzählt, was sonst besser im Hinterstübchen eingeschlossen bleibt. Die halten ihre juvenile Peinlichkeit wohl für die authentische Version von jemandem, der nicht die Möglichkeit hatte, auf Zuckerrohrfeldern aufzuwachsen.

Das kann man nun lustig finden oder sich an die eigene Nase fassen und auch rot werden. Was bleibt, ist auf jeden Fall dieser komisch verquere Blues, der – so hört es sich an – nicht so will, wie die Regierung. Sie spielen nicht nur einfach nach, sondern ringen mit einem Genre, das eigentlich nicht das ihre ist und sie deshalb dazu bringt, nicht wie tausende von weißen Bluesbands nur Ton für Ton nachzuspielen.

Am 12.8. um 21Uhr im Duncker, Dunckerstraße64, Prenzlauer Berg

Thomas Winkler