"Brod" sendet doch

■ Radioschiff in der Adria wieder in Betrieb / Serbische Regierung und Telekommunikations-Union ITU unterlegen

Nach einem Monat Pause ist Radio Brod (Radio Boot) wieder auf Sendung. Der von der Europäischen Gemeinschaft und der französischen Stiftung „Droit De Parole“ (Redefreiheit) finanzierte Sender auf einem ehemaligen Eisbrecher in der Adria hatte am 28. Juni sein 24-Stunden-Programm einstellen müssen. Ganze drei Monate lang hatte eine gemischtnationale Crew von 17 JournalistInnen aus allen Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens vor der dalmatinischen Adriaküste ein 24stündiges Antikriegsprogramm mit unabhängigen Informationen gesendet.

Die serbische Regierung hatte bei der International Telecommunication Union (Internationale Fernmelde-Union, ITU) die Einstellung des „Störsenders“ beantragt, da die Sendefrequenz von 720 kHz Mittelwelle international nicht registriert sei und außerdem serbische Lokalstationen störe. Die ITU befand die Proteste für gerechtfertigt und erklärte das Radio kurzerhand für illegal. St. Vincent und die Grenadinen, unter deren Fahne Radio Brod bis dahin gefahren war, zogen ihre Schiffslizenz zurück.

Die Wiederaufnahme des Programms wurde erst möglich, nachdem das Schiff umgeflaggt worden war. Zuvor hatten das UN-Zentrum für Menschenrechte, das Büro des UN-Generalsekretärs und die EG wiederholt auf die Bedeutung unabhäniger Informationen im ehemaligen Jugoslawien hingewiesen. Daß die Propaganda der Kriegsparteien auf dem Balkan eine wesentliche Rolle spielt, weiß man auch bei der ITU. Trotzdem weigert sich Europa bis heute beharrlich, über die Ätherwellen eine gezielte Gegenberichterstattung ins Kriegsgebiet zu streuen. US-Präsident Clinton kündigte bei seinem Amtsantritt an, er werde ein Radio Free Serbia in Betrieb gehen lassen, um das Informationsmonopol des Milošević-Regimes zu brechen – geschehen ist jedoch bisher nichts.

Seit Kriegsbeginn senden serbische Radios bewußt auf (oder knapp neben) den Frequenzen des Sarajevoer und Zagreber Rundfunks im Agitpropstil Programme zur Rechtfertigung des Krieges. Belgrad setzt international gebannte Störsender ein, um die Anlagen des Gegners auszuschalten. Gegen diese Piraterie unternahm die ITU bisher nichts, obwohl auch ein Antrag islamischer Staaten zum Ausschluß Rumpf-Jugoslawiens aus der Organisation vorliegt.

Unabhängige Infos dringen selten durch

Auf Kurzwelle verbreitet derweil Radio Jugoslavija den serbischen Standpunkt rund um die Uhr in alle Regionen der Welt. Dabei werden auch Sendestationen genutzt, die in den sogenannten „befreiten Regionen“ Kroatiens und Bosniens liegen. Unabhängige Informationen kommen dagegen nur sehr begrenzt in den exjugoslawischen Raum. Die Auslandsdienste der großen europäischen Sendeanstalten wie die britische BBC, Radio France International oder die Deutsche Welle haben zwar eigene Programme in den Balkansprachen. Diese werden jedoch nicht gemischt national, sondern von Journalisten aus den jeweiligen einzelnen exjugoslawischen Staaten gestaltet. Die Sendebeiträge befassen sich meist mit der Innenpolitik des jeweiligen Wohnlandes.

So sendet die Deutsche Welle aus Köln in den kroatischen Sendungen kroatienfreundliche Beiträge, während die serbischsprachigen Sendungen von Serben moderiert werden, die hin und wieder gar ganz auf der Propagandaschiene des Belgrader Regimes liegen. Muslime kommen in den halbstündigen Programmen nicht zu Wort.

Ähnlich verhält es sich auch mit den sogenannten „Sendungen für Gastarbeiter“, die abends in den dritten Radioprogrammen des SWF, NDR und WDR ausgestrahlt werden. Im serbischen Teil der Sendungen bekommt der Zuhörer in liberalisierter Form Belgrader Propaganda geliefert, im kroatischen Sendeteil kroatische und manchmal auch muslimische. Makedonier, Slowenen und Albaner können ihre Sprache nur selten einige wenige Minuten vernehmen. Karl Gersuny/Jasna Baštić