■ Nippons ökonomischer Weg findet die politische Ergänzung
: Neue japanische Fragen

Seit etwa zwei Jahrzehnten kaufen Deutsche jedes Jahr mehr japanische Autos, Fernseher, Computer, Fahrräder – die Warenliste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Namen einiger Firmen haben sich die Deutschen dabei gemerkt: Toyota, Sony, Panasonic und Shimano. Doch wie viele Deutsche können heute einen der letzten drei japanischen Premierminister mit vollem Namen nennen?

Die selektive Wahrnehmung Japans im Westen hatte ihren guten Grund. Offenbar fühlte man sich, wenn schon wirtschaftlich in einigen Bereichen den Japanern unterlegen, so doch politisch und moralisch dem asiatischen Konkurrenten meilenweit überlegen. Deutsche Christdemokraten und Liberale verabscheuten in Japan das politische Wirtschaftsmanagement. Jeder neue Korruptionsskandal in Tokio schien sie in ihrer liberalen Orthodoxie zu bestätigen. Sozialdemokraten und Grüne denunzierten derweil den japanischen Arbeitsstaat und sonnten sich in ihrem sozialen Verantwortungsgefühl. Um diese Selbstgerechtigkeiten zu entlarven, bedurfte es in Japan eines überfälligen Ereignisses: des ersten demokratischen Regierungswechsels.

Japans angehender Premierminister Morihiro Hosokawa erscheint im Vergleich mit Helmut Kohl als versierter Wirtschaftspolitiker und im Gegensatz zu Klaus Kinkel als geradezu erfahrener Diplomat. Ihn, den eleganten, weltgewandten Fürstensohn werden sich die Deutschen im Gegensatz zu seinen Vorgängern merken können und dabei hoffentlich begreifen: Neben der modernsten Manufakturbasis, der mächtigsten Finanzindustrie und den inzwischen höchstbezahlten Arbeitern der Welt verfügt Japan nun auch über eine funktionstüchtige Demokratie und über kompetente Politiker. Das sollte den deutschen Blick auf Japan verfeinern, damit endlich die Fragen gestellt werden, mit denen uns Japan jenseits der alten Werturteile in Wirklichkeit längst konfrontiert: Weshalb ist die Angestelltenidentifikation in den japanischen Unternehmen so viel größer als bei uns? Weshalb verdienen japanische Manager so viel weniger als ihre deutschen Kollegen und sind doch erfolgreicher? Weshalb verfügt Deutschland über einen Sozialstaat und drei Millionen Arbeitslose, während Japan zwar weder das eine, aber auch nicht das andere hat? Weshalb investieren japanische Unternehmen das Dutzendfache von dem in Europa, was deutsche Unternehmen in Asien investieren? Fragen, deren Antworten mehr denn je interessieren. Georg Blume, Tokio