■ Zum Brandanschlag bei Köln
: Ein deutscher Fall Brawley?

Im November 1987 fanden Spaziergänger in einer New Yorker Kleinstadt die fünfzehnjährige schwarze Tawana Brawley, seit vier Tagen als vermißt gemeldet. Sie war mit Hundekot besudelt, und auf ihren Oberkörper hatte jemand „KKK“ (Ku-Klux-Klan) und „Nigger“ geschmiert. Über Zettel erteilte sie einem schwarzen Polizisten Auskunft auf die Frage, wer ihr das angetan habe: „white cop“. Sechs weiße Männer hätten sie vergewaltigt und mißhandelt. Schon bald kamen erste Zweifel an ihrer Version auf; der FBI stieß auf immer mehr Rätsel und Widersprüche in den Aussagen der Brawley-Familie, die jede Zusammenarbeit mit einem Sonderermittler ablehnte.

Binnen kurzem avancierte der Fall Brawley zum Politikum schlechthin: Hatte es nicht schon immer zweierlei Recht gegeben? Hatten nicht weiße Plantagenbesitzer ihre sexuellen Gelüste und Perversionen an schwarzen Sklaventöchtern ausgetobt? Als schließlich der Verdacht sich erhärtete, was immer Tawana zugestoßen sei (eine Vergewaltigung war es sicher nicht), sei vom schwarzen Freund ihrer Mutter verübt worden, da war endgültig jede Zwischenlösung ausgeschlossen. Reverend Al Sharpton, ein nationalistischer schwarzer Scharfmacher aus Brooklyn, hatte das „United African Movement“ gegründet, das rassistische Übergriffe im Staat New York untersuchen sollte. Ziel war die Beeinflussung der nächsten New Yorker Bürgermeisterwahlen. Zu diesem Zeitpunkt war es für Sharpton und Co schon ganz gleichgültig, wie der Fall sich wirklich abgespielt hatte, denn das Politikum blieb: Die Polizei, die Justiz, die Presse und Moral Majority – alles stand gegen die Schwarzen.

Selbst wenn kein Hakenkreuz an die Hauswand des türkischen Restaurants in Pulheim/Stommeln geschmiert worden wäre, hätten wir alle zunächst einen rechtsradikalen Hintergrund vermutet. Würde es sich wie bei Brawley um eine Art autoaggressiver Reaktion auf ein rassistisches Klima handeln, wäre diese Präjudizierung auch durchaus gerechtfertigt – was ihr passiert ist, wäre ohne die Südstaaten-Vergangenheit mit ihren ähnlich atavistischen Bestrafungsformen undenkbar gewesen, selbst wenn da ein Schwarzer eine Schwarze gequält hat. Wer in einem solchen Fall die Parallelen zu den Lynchmobs der Vergangenheit ignoriert, hängt der voluntaristischen Fiktion an, die Schwarzen seien ihres Glückes Schmied. Es habe gar keinen Sinn, für sie Partei zu ergreifen, weil sie keinen Deut besser seien als die rednecks.

Wenn jetzt hierzulande eine ähnliche Konsequenz gezogen würde: daß also bei künftigen Brandanschlägen (die in der Luft zu liegen scheinen) erst einmal abmoderiert und auf die Möglichkeit innerminoritärer Auseinandersetzungen verwiesen wird, dann wäre Pulheim auch ein Politikum. Es hätte gezeigt, wie sehnsüchtig nach Entlastung gesucht wird, nicht nur vom Bundeskanzler, der in allem nur den sozial dekompensierten Einzelfall sehen möchte, sondern auch vom Mainstream, der mit dem Erklärungsnotstand nicht fertig wird. Mariam Niroumand