Bosnien: Wachsender Druck auf die UNO

Islamische Konferenz fordert Luftangriffe auf serbische Stellungen / UN-Generalsekretär habe kein Recht, sich einzumischen / Verhandlungen über Zufahrtswege nach Sarajevo  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Während der Stillstand der Genfer Verhandlungen auch am Donnerstag fortdauerte, wurden die Forderungen nach Luftangriffen auf Stellungen der serbischen Belagerer von Sarajevo immer lauter. So verlangte die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) die umgehende Umsetzung der Absichtserklärungen, zu denen sich die Nato am Dienstag durchgerungen hatte. Der türkische Außenminister Cetin erklärte in einem taz-Gespräch, mit der Resolution 770 des Sicherheitsrates lägen „alle für derartige Maßnahmen erforderlichen Entscheidungen der UNO bereits vor“. UNO-Generalsekretär Butros Ghali habe „kein Recht, sich einzumischen und die Dinge zu komplizieren“.

Zugleich trat der für die Beobachtung des Bosnienkrieges zuständige Beamte des US-Außenministeriums, Marschall Freeman Harris, von seinem Amt zurück. Ähnlich wie sein Vorgänger George Kenney, der genau vor einem Jahr das Handtuch geworfen hatte, begründete er den Schritt mit dem „Druck“, den die Clinton- Administration auf die bosnische Regierung ausübe, um das „Diktat der Dreiteilung des Landes zu akzeptieren“.

Nach Mitteilung der beiden Vermittler Stoltenberg und Owen, gaben gestern sowohl Bosniens Präsident Izetbegović wie – vor seiner Abreise aus Genf am Mittwochabend – Serbenführer Karadžić die Zusage, ihre militärischen Kommandeure zu Verhandlungen über die Öffnung der Zufahrtstraßen nach Sarajevo für humanitäre Transporte anzuweisen. Diese Verhandlungen sollten bei einem für gestern nachmittag in Sarajevo vorgesehenen Treffen der drei Oberkommandierenden beginnen.

Izetbegović unterstrich jedoch, daß seine am Mittwochnachmittag gestellte Forderung nach Räumung des von serbischen Truppen besetzten Bjelasnica-Berges innerhalb von 24 Stunden hiervon nicht berührt ist. Nur unter dieser Bedingung sei er bereit, sich heute wieder mit Karadžić und Kroatenchef Boban an den Genfer Verhandlungstisch zu setzen.

Der Vorsitzende der islamischen Konferenz, Pakistans Außenminister Sattar, sowie seine Amtskollegen aus der Türkei (Cetin), Tunesien (Yahya) und dem Senegal (Niasse) unterstrichen nach einem Treffen mit dem beiden Vermittlern die Ablehnung des derzeit auf dem Genfer Verhandlungstisch liegenden Dreiteilungsplanes für Bosnien. Durch diesen würden Völkermord, „ethnische Säuberungen“ und gewaltsame Gebietseroberungen sanktioniert werden. Jeder der von den beiden Vermittlern seit Beginn der Verhandlungen im September 92 vorgelegte Vorschlag sei „schlechter als der vorherige gewesen“. Der „Realismus“ der beiden Vermittler sei „zum Zynismus“ verkommen. Die Minister forderten Luftangriffe auf serbische Stellungen „um den Aggressor zu stoppen“, einen Waffenstillstand herbeizuführen und die Position des bosnischen Serbenführers Karadžić am Genfer Verhandlungstisch „aufzuweichen“. Die Minister äußerten deutliches „Unverständnis“ darüber, daß UNO-Generalsekretär Butros Ghali der vor nunmehr über drei Wochen von der OIC angbotenen Entsendung von Soldaten zur dringend benötigten Verstärkung der UNPROFOR- Verbände immer noch kein grünes Licht erteilt habe. Der türkische Außenminister Cetin betonte, bei dem Nato-Ratstreffen hätten sein Land, die Niederlande, Dänemark sowie Spanien ihre Bereitschaft erklärt, sich an von den USA geführten Luftangriffen gegen serbische Stellungen zu beteiligen. Das reiche aus, um entsprechend Resolution 770 des Sicherheitsrates „endlich zu handeln“.

Resolution 770 vom 22. August 1992, mit der auch US-Außenminister Christopher die US-Forderung nach Luftangriffen begründet hatte, erlaubt „Staaten“ oder regionalen Staatenbündnissen „alle notwendigen Maßnahmen“, um die humanitäre Versorgung der Bevölkerung in Bosnien durchzusetzen.