Schuld war nur die Lederhose

■ Heute abend wird die 31. Bundesliga-Saison angepfiffen, und klar ist nur eins: Bayern wird auch diesmal nicht Deutscher Meister

Nein, Bayern München wird nicht Deutscher Meister! Vor zwei Jahren knapp dem Abstieg entronnen, in der letzten Saison ebenso knapp dem Titel, wird dem südlichen Kapitalistenstadl auch diesmal der Weg zur Viktoria versperrt bleiben. Nicht, weil die Mannschaft zu schlecht wäre oder der Trainer zu blöd, die Vizepräsidenten zu geschwätzig, der Manager zu gerissen. Auch nicht wegen Lolita Morena und ihrem maulbekorbten Lebensgefährten Lothar Matthäus. Nein, nein, nichts von alledem. Schuld ist einzig und allein die Lederhose.

„Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, wird seit vielen Jahren in allen Stadien und Tonlagen geschmettert, und die Bayern-Verantwortlichen finden es ungemein lustig, ihre Kicker zu Beginn jeder Spielzeit zwecks Ablichtung in selbiges krachledernes Kleidungsstück schlüpfen zu lassen. Welche Verheerungen solch finsteres Treiben in sensiblen Fußballerseelchen anrichtet, hat sich offenbar noch niemand überlegt.

Da kommt beispielsweise der Kolumbianer Adolfo Valencia als vielversprechender Stürmer aus seiner Heimat angereist, voll des Tatendranges, wild entschlossen, jede Menge Geld und Tore einzufahren, begierig, die Abwehr-Recken der Kontrahenten zu Slalomstangen zu degradieren – und was ist das erste, was er zu Gesicht bekommt? Eine Lederhose. Der Mann ist doch fürs Leben gezeichnet, schließlich muß er damit rechnen, daß die Fotos auch in seiner Heimat veröffentlicht werden und kann sich jetzt schon ausmalen, wie es beim nächsten WM-Qualifikationsspiel im vollbesetzten Stadion von Bogotá zugehen wird: „Zieht dem Bayer ...“ Das Tor jedenfalls trifft Adolfo Valencia nie wieder. Vom Brasilianer Mazinho geht das Gerücht, er habe mehrfach absichtlich vorbeigeschossen, damit er in der nächsten Saison auf die Transferliste statt in die Lederhose kommt, und Ruud Gullit soll den Kugelschreiber schon unterschriftsbereit in der Hand gehabt haben, als ihn seine Freundin in letzter Sekunde aus Mailand anrief und von dem geplanten Anschlag auf seine Körpermitte in Kenntnis setzte. Mangelnde Motivation wurde Italien-Heimkehrer Thomas Berthold als Grund für seinen Leistungsabfall unterstellt. Allein, es war die Hose. Das einstige Supertalent Michael Sternkopf wurde, nachdem man ihn mit dem unaussprechlichen Beinkleid malträtiert hatte, von dem wahnhaften Drang befallen, sich alle zehn Minuten die Haare zu fönen. Mit dem Fußball war es fortan Essig. Vielversprechende Karrieren, kaltblütig der Lederhose geopfert.

Auch die lange Verletztenliste des Vizemeisters ist weniger auf physische denn auf psychische Gründe zurückzuführen. Wie soll jemand, der die ganze Nacht vom Leder träumt, noch in der Lage sein, auf seine Knochen und Muskeln aufzupassen. Kein Wunder, daß bei den Bayern nur Spieler Erfolg haben, deren Gemüt in etwa die Eigenschaften des zähen, unverwüstlichen Speckträgers aufweist. Fleischgewordene Lederhosen des grünen Rasens sozusagen.

Nein, Bayern wird nicht Meister! Aber wer dann? Der Kandidaten gibt es viele. Da wären die Dortmunder, der Vierminutenchamp der vorletzten Spielzeit. Nachdem ihnen damals der Stuttgarter Guido Buchwald mit seinem Kopfballtor in der 86. Minute den Titel wegschnappte, haben sich die Borussen mächtig verstärkt, eine Lehre bei Juventus Turin absolviert und wollen nun endlich mal was gewinnen. Das wollen auch Eintracht Frankfurt, wo Gaudino, Furtok und Yeboah den verlängerten Bein von Trainer Toppmöller spielen sollen, und die frisch besohlten Leverkusener. Bremen wurschtelt sich immer irgendwie durch, aber auch der 1. FC Kaiserslautern mit seinem Schweizer Präzisionsfußballer Ciriaco Sforza ist nicht zu unterschätzen.

Trotz dieser geballten Favoritenmacht halten wir es jedoch aus alter Solidarität mit Schalke-Trainer Helmut Schulte: Nürnberg wird Meister! „Zieht den Bayern ...“ Matti Lieske