Friedensmarsch in Bosnien angekommen

■ 1.000 TeilnehmerInnen haben die kroatischen Linien überquert / Kämpfe gehen weiter / US-Beauftragter für Bosnien zurückgetreten

Split/Berlin (AFP/taz) – Der erste Block des Friedensmarsches „Mir Sada – Frieden Jetzt“ hat bosnisches Territorium erreicht. Nach Angaben des Büros der Organisatoren in der kroatischen Hafenstadt Split sind die rund 1.000 TeilnehmerInnen gestern nachmittag in der Stadt Prozor angekommen. Zunächst waren die in Bussen reisenden Friedensmarschierer an den kroatischen und serbischen Linien aufgehalten worden.

Die zweite Gruppe von „Mir Sada“- TeilnehmerInnen – darunter ungefähr 100 Deutsche – war zunächst in der kroatischen Hafenstadt Split geblieben, um dort das weitere Vorgehen angesichts schwerer Kämpfe in Bosnien zu diskutieren. Anlaß waren widersprüchliche Meldungen darüber, ob die UNO-Blauhelme im ehemaligen Jugoslawien die Friedensmarschierer schützen würden oder nicht. Nach Berichten der französischen Hilfsorganisation „EquiLibre“, die zu den Initiatoren von „Mir Sada“ gehört, sind am gestrigen Nachmittag weitere 700 Polen und Italiener von der italienischen Hafenstadt Brindisi aus nach Prozor aufgebrochen.

Polen stellt damit das weitaus größte Kontingent der Teilnehmer des Friedensmarschs, der polnische Arbeitsminister Jacek Kuron, der letzte Überlebende des Warschauer Ghettos, Marek Edelmann, und der Warschauer Bürgermeister Stanislas Wyganovski wollen Sarajevo per Flugzeug erreichen. Am 7. August wollen sich alle TeilnehmerInnen der Aktion in der bosnischen Hauptstadt zu einer Demonstration gegen den Krieg einfinden. Hauptanliegen von „Mir Sada“ ist neben der sofortigen Einstellung der Kämpfe die Verlegung der Genfer Friedensverhandlungen in die bosnische Hauptstadt.

Die Nachrichen aus Sarajevo wiedersprachen sich derweil bis Redaktionsschluß grundsätzlich: Einerseits soll die bosnische Hauptstadt mittlerweile völlig von serbischen Verbänden eingeschlossen sein, andererseits bieten die serbischen Truppen die Aufhebung der seit 15 Monaten dauernden Belagerung an. Die Nachrichtenagentur dpa meldete, der letzte noch in muslimischer Hand befindliche Hügel vor der Stadt sei in der Nacht zum Donnerstag eingenommen worden. Das serbisch-bosnische Kommando bestätigte diese Meldung aber nicht.

Aus Protest gegen die amerikanische Politik im früheren Jugoslawien ist gestern zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres ein hoher Beamter des US-Außenministeriums ausgeschieden. Der für Bosnien zuständige Diplomat Marshall Freeman Harris (32) warf der Regierung in einem Rücktrittsbrief vor, nichts gegen die Zerschlagung von Bosnien-Herzegowina zu tun, berichtete die New York Times am Donnerstag. „Ich kann nicht länger für ein State Department arbeiten, das die gewaltsame Zerstückelung eines europäischen Staates akzeptiert und nichts gegen Völkermord und die dafür verantwortlichen serbischen Offiziellen unternimmt“, schrieb Harris. Der Sprecher des Ministeriums, Michael McCurry, wies den Vorwurf zurück. Die Regierung verfolge eine „energische Politik, um Sarajevo und Bosnien vor dem Untergang zu retten“. Harris habe „keine echte Rolle“ bei dieser Politik gespielt.

Im vergangenen Jahr war bereits George Kenney, der stellvertretende Leiter des Jugoslawien-Büros, ausgeschieden. Er hatte damit gegen die seiner Meinung nach schwache Reaktion von George Bush auf die serbische Aggression protestiert. Seite 8