: Buße für Knuff
■ Makler im Streit mit Jehovas Zeugen
Der Finanzmakler Nicolas W., 27 Jahre alt, verdient nach eigenen Angaben nur 500 Mark im Monat. „Ich kann sofort meine Steuerbescheinigung vom vergangenen Jahr vorlegen“, versichert er Richterin Kugler. Vor dem Amtsgericht am Karl-Muck-Platz ist der studierte Betriebswirt angeklagt, „bei einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr den Zeugen D. geschlagen und zu Boden gerissen zu haben“.
Im Februar dieses Jahres fuhr Nicolas W. mit seinem BMW durch die Katharinenstraße in der Innenstadt. Ralf D. (60) überquerte mit einem Begleiter die Straße, als das Fahrzeug noch ungefähr 50 Meter entfernt war. „Es raste aber so schnell auf uns zu, daß wir auseinandersprangen“, schildert D. den Vorfall. Er wollte sich dann das Kennzeichen des Autos notieren. „Da stieg der Fahrer in bedrohlicher Art heraus und beschimpfte mich.“ Gleich darauf bekam Ralf D. auch einen leichten Knuff auf die Schulter.
„Ich schlage mich nicht, aufgrund meines Glaubens“, sagt D., er gehört den Zeugen Jehovas an. „Aber wehren darf ich mich, habe ich gerufen.“ Er hat Nicolas W. umklammert. Beide sind auf den Gehweg gestürzt. „Ich hatte starke Schmerzen“, berichtet der 60jährige weiter.
Sein Gegner von damals erklärte den Streit so: „Ich habe mich provoziert gefühlt.“ Sein Auftritt vor Gericht hinterläßt den Eindruck, als würde er jederzeit wieder so reagieren. Auch wenn er einsieht: „Handgreiflichkeit ist immer die schlechteste Form der Kommunikation.“
Nicolas W. hat sich bereits schriftlich bei Ralf D. entschuldigt. Der sagt vor Gericht: „Ich nehme die Entschuldigung an.“ Da ist die Entscheidung des Gerichts eigentlich leicht. Der Angeklagte Finanzmakler bekommt seinen für drei Monate eingezogenen Führerschein zurück und muß eine Geldbuße in Höhe von 1.500 Mark zahlen. „Können sie das bei ihrem Einkommen überhaupt?“ fragt Richterin Kugler besorgt. Der Finanzmakler antwortet kaltschnäuzig: „Reicht ein Scheck?“ Als er das Erstaunen bemerkt, fügt er schnell hinzu: „Für solche Fälle habe ich immer Rücklagen.“
Torsten Schubert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen