Furchtbar fruchtbar

Das wurde ja auch mal Zeit, daß der Verfassungsschutz das rechte Auge aufmacht. Höchste Zeit, wie es scheint. Der braune Sumpf hat sich bereits in Schichten hinein ausgebreitet, die lange Jahre als weitgehend immun gegenüber rechtsradikalem, um nicht zu sagen neofaschistischem Gedanken“gut“ galten: Studenten und Gymnasiasten.

Endgültig vorbei sind die Zeiten, wo Neo-Nazismus als Erscheinungsform ungebildeter, arbeitsloser und biersaufender Jugendlicher abgetan werden konnte, die Politikverdrossenheit und Perspektivlosigkeit in die Fänge der Ewig-Gestrigen getrieben habe. Wenn die – zugegebenermaßen jeglicher Fortschrittlichkeit seit mindestens 120 Jahren unverdächtigen – Burschenschaftler nun den Schritt von der elitären Männerbündelei zur „nationalrevolutionären“ Deutschtümelei vollziehen, stellt dies die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus auf eine neue Ebene.

Die „Intellektualisierung“ am rechten Rand, wie sie der österreichische Rechtsaußen Jörg Haider mit Wirkung über die Alpenrepublik hinaus symbolisiert, könnte einen vor wenigen Jahren noch für unmöglich gehaltenen Sog entfalten. Völkische Gedanken, intellektuell verbrämt und propagiert, könnte „gesellschaftsfähig“ werden.

Wir müssen uns der Selbsttäuschung entledigen, daß Rassismus und Faschismus auf „die dumpfe Masse“ beschränkt sei. Wie Brecht schon sagte: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies Unheil kroch“ – fruchtbarer offenbar, als wir befürchtet hatten. Sven-Michael Veit