Nahost: Vorsichtiger Optimismus

US-Außenminister Christopher erneut in Damaskus / Israel und Syrien tauschen Botschaften aus / Palästinenser-Delegation gespalten  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Am letzten Tag seines fast einwöchigen Aufenthalts im Nahen Osten hat sich US-Außenminister Warren Christopher von seinen israelischen Gesprächspartnern verabschiedet und begab sich ein zweites Mal in die syrische Hauptstadt Damaskus, um den Austausch von Botschaften zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin und dem syrischen Staatschef Hafez al Assad fortzusetzen. Von einem Durchbruch der Nahost-Friedensverhandlungen könne allerdings noch nicht die Rede sein, betonte Christopher vor seinem Abflug aus Israel.

Der israelische Regierungschef sagte, er habe über Christopher „gewisse gute Nachrichten aus Damaskus“ erhalten. „Nun sind wir überzeugt, daß die Syrer entschlossen sind, ein Abkommen mit uns zu schließen“, erklärte Rabin. Die US-Administration jetzt eine intensivere „Vermittlerrolle als volle Partner“ spielen und so häufig Vertreter nach Damaskus, Jerusalem und vielleicht auch Beirut entsenden, wie es notwendig erscheint, um ein erneutes Stocken in den Washingtoner bilateralen Verhandlungen zu vermeiden.

Sichtlich zur Zufriedenheit sowohl Rabins als auch Assads haben die US-Diplomaten die gesamte Agenda, die unter dem Namen „Friedensprozeß“ läuft, nun unvergleichlich besser im Griff, als dies vor der jüngsten israelischen Militäroperation im Libanon der Fall war. Allem Anschein nach ist ein ausführliches Verhandlungsverfahren über den Übergang zum Frieden vorgesehen, mit Zwischenstadien und partiellen Rückzügen sowie Sicherheitsarrangements für die israelisch besetzten syrischen Golanhöhen und parallell dazu wohl auch für den besetzten Südlibanon. Alle Beteiligten sprechen jetzt davon, daß man erst am Anfang eines langen, komplizierten Weges steht; aber der Ball sei jetzt endlich ins Rollen gebracht worden, und es liege nun an Washington, dafür zu sorgen, daß er weiter im Rollen bleibt – in den gewünschten Bahnen.

Rabin lobte nach dem Christopher-Besuch die positiv veränderte Einstellung Syriens, Libanons und Jordaniens zum Friedensprozeß. Er ließ durchblicken, daß er dabei einen Zusammenhang zwischen der Militäroperation im Libanon und dem durch Christopher vermittelten Waffenstillstand sieht. In Israel werden diese Kausalzusammenhänge betont, um den Sinn der scharfen Militäroperation im nördlichen Nachbarland deutlich zu machen und zu zeigen, daß sie sich gelohnt hat – angesichts der reichen politischen Ernte, die Christopher nun heimholen konnte, und die auch Israel zugute kommt.

Uri Lubrani, „Koordinator israelischer Regierungsaktivitäten im Libanon“ und Leiter der israelischen Delegation bei den bilateralen Verhandlungen mit Libanon in Washington, sagt gegenüber der Gewerkschaftszeitung Davar: „Ich glaube, der Zeitpunkt der (Militär- )Aktion war richtig gewählt; sie war bewußt oder unbewußt mit dem Christopher-Besuch in der Region verbunden. Wir sind in diese Operation mit der Hoffnung eingestiegen, daß sie auch auf den politischen Prozeß einwirken möge. Nur sind wir derzeit nicht ganz überzeugt davon, daß die (Waffenstillstands- )Arrangements, die erzielt wurden, auf die Dauer effektiv bleiben werden.“

Der seiner Meinung nach positive Einfluß dieser Entwicklung, an deren Ende der Besuch Christophers stand, auf die Regierungen der arabischen Nachbarstaaten, vergleicht Rabin mit dem „Chaos“ auf der palästinensischen Seite: „Ein solches Durcheinander, ein dermaßen instabiles, zerspaltenes, und konfuses Gebilde, wie es die Palästinenser heute sind, habe ich bisher noch nie gesehen“, klagte Rabin vor den Führern seiner Arbeitspartei.

Dennoch bekam ein etwas zufriedenerer Christopher von einer Rumpfdelegation der Palästinenser in Jerusalem, in der ausschließlich Anhänger von Yassir Arafats Al Fatah vertreten waren, eine Revision ihres Standpunkts zur Formulierung der gemeinsamen palästinensisch-israelischen Grundsatzerklärung über die Autonomie-Zwischenlösung überreicht. Dieses von Christopher geforderte Dokument ist unter den Palästinensern in den besetzten Gebieten stark umstritten und wird von einer Mehrheit abgelehnt, weil es in entscheidenden Punkten als Kapitulation vor den israelischen und amerikanischen Forderungen gesehen wird. Angeblich kamen „PLO-Befehle“ aus Kairo und Tunis, das umstrittene Dokument bei der Zusammenkunft mit Christopher am Donnerstag zu überreichen. Haidar Abdel Schafi, der Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation, und die Vertreter der Fraktionen, die nicht zu Fatah zählen, haben die Treffen mit Christopher diesmal boykottiert.

Die PLO-Führung warnte unterdessen vor einer allzu optimistischen Einschätzung der Friedensgespräche, wie sie Christopher und Rabin vorgenommen haben. Der Leiter des politischen Ausschusses der Palästinensischen Befreiungsorganisation, Faruk Kadumi, sagte am Donnerstag in Kairo, wenn Israel sich nicht aus den besetzten Gebiete zurückziehe, könnte sich ein neuer Krieg abzeichnen.