Kein Anti-Auto-Fundamentalismus mehr

■ Wolfgang Lohbeck, Chef der Greenpeace-Atmosphären-Abteilung über die neue Greenpeace-Kampagne für das Zwei-Liter-Auto

taz: Die Zahl der Autos auf bundesdeutschen Straßen nimmt immer weiter zu – und nun will auch noch Greenpeace in die Vermarktung von Autos einsteigen.

Wolfgang Lohbeck: Wir wollen nicht in die Vermarktung von Autos einsteigen. Wir wollen mit der Forderung nach dem Zwei-Liter- Auto aber relativ pragmatisch den Hebel in der Verkehrspolitik neu ansetzen. Pragmatisch heißt, die Verbrauchssenkung für Autos fordern, die schon möglich ist. Wir wollen aus der Ecke des Anti-Auto-Fundamentalismus wegkommen.

Für Ökologen galt bislang immer die Verkehrsvermeidung als das primäre Ziel?

Verkehrsvermeidung ist ein Ziel, aber die Realisierung anderer technischer Konzepte beim Auto ist parallel dazu zu sehen. Das ist wie in der Energiepolitik. Regenerative Energien kann man nur propagieren, wenn gleichzeitig Energie eingespart wird. Es reicht nicht, Verkehrsvermeidung zu fordern – ein Ruf, der verhallt –, und die existierenden Autos auf der Straße werden immer dicker.

Ist die Forderung nach dem Zwei-Liter-Auto nicht auch eine Reaktion darauf, daß eure Kampagne „Ich leg mein Auto still“ nicht so erfolgreich war?

Das könnte man so sagen. Die Fundamentalkritik am Auto ist weiter berechtigt. Wir müssen uns aber mit der Tatsache auseinandersetzen, daß es Autos gibt, daß in Entwicklungsländern der Autoboom erst kommt und sie es auch in 50 Jahren noch geben wird.

Was ist denn dann das Ziel der Kampagne?

Wir wollen die Industrie am Nerv treffen, den Hebel dort ansetzen, wo es ihr auf den Zeiger geht. Das ist doch kein Widerspruch zu Aktionen wie „Stillgelegt“. Eine Kampagne kann doch nur dann Erfolg haben, wenn man sagt: Nicht nur Verzicht ist angesagt, sondern es gibt auch kleine Schritte in die richtige Richtung.

Wie wollt ihr verhindern, daß die Leute sich mit ökologischem Heiligenschein ein spritsparendes Dritt-Auto für den Filius zulegen?

Da sehe ich auch eine große Gefahr. Die Kampagne kann so allein auch nicht stehenbleiben. Die Arbeit gegen Autos in den Städten muß natürlich weitergehen. Verstärken müssen wir die Aktivitäten gegen die spritfressenden Saurier.

Nehmen wir den spritfressenden Saurier. Den würde ich, wenn ich einen hätte, gegen euer Sparmobil tauschen. Dann habe ich ein Auto im Schrott und bestelle ein Auto, daß mit Rohstoff- und Energieeinsatz erst hergestellt werden muß. Nicht besonders ökologisch, oder?

Wir fordern die Leute doch nicht auf, werft euer altes Auto weg, kauft euch ein anderes. Wir fordern sie auf, lenkt euren Autokauf-Wunsch in eine sinnvollere Richtung. Wir bieten an, über die Bestellaktion Autokonzerne zum Umdenken zu zwingen.

Und darüber gab es keinen Streit bei den Ökologen von Greenpeace?

Wir haben zwei Jahre an der Verkehrskampagne gestrickt – relativ erfolglos. Trotzdem gibt es einige Leute, die mit der neuen Kampagne nicht einverstanden sind. Sie haben, glaube ich, nicht verstanden, daß ein kleines, leichtes, langsames, sparsames Auto ein Einstieg in ein völlig anderes Mobilitätssystem ist.

Neues Mobilitätssystem? Auch das Auto, das nur 100 Kilometer schnell fährt, ist eine Gefahr für den Fußgänger und den Radfahrer. Die haben keinen Airbag.

Parallel muß natürlich die Kampagne Verkehrsberuhigung in den Städten laufen – Autos raus aus der Stadt. Ein kleines, leichteres Auto hat aber auch kürzere Bremswege, ist sehr viel weniger gefährlich. Ich sag's noch mal: Das Ziel ist eine neue Art Auto. Heute werden Autos mit jeder Generation schwerer und schneller.

Den Kampf gegen neue Straßen, gegen Flächenverbrauch und Naturverschandelung durch Straßen habt ihr aber aufgegeben?

Wir geben nicht auf. Kleinere, langsamere Autos erhöhen die Leistungsfähigkeit von Straßen. Neue Straßen sind dann überflüssig. Wir haben nur eine Person bei uns in Hamburg, die sich aktiv mit Verkehrspolitik auseinandersetzt. Der Streit um die Autobahnneubaupläne ist bei uns derzeit personell nicht abzudecken.

Hebt ihr mit dem Sparmobil endgültig das Grab aus für den öffentlichen Personenverkehr? Statt der Jahreskarte, den ökologisch apostrophierten Zweit- oder Drittwagen?

Wir glauben nicht, daß jemand ein Sparmobil kauft, der sich sonst kein Auto kauft. Die Leute steigen nicht aus den fossilen Saurier auf den öffentlichen Nahverkehr um.

Und wenn Busfahrer vom darniederliegenden Nahverkehr auf das Sparmobil umsteigen?

Werden sie nicht, wenn wir aktiv eine starke Kampagne Autos raus aus der Stadt betreiben.

Das heißt, Greenpeace fährt jetzt parallel eine große Kampagne: Autos raus aus der Stadt.

Es geht auch bei Greenpeace um Ressourcen. Die Kampagne Autos raus aus der Stadt wurde heruntergefahren aus Personalmangel. Das wäre zwar wichtig, ich weiß aber nicht, wie stark wir das betreiben. Hermann-Josef Tenhagen