Die Wüste getanzt

■ Compania Vicente Saez beendet das Sommertheater

So schön können Abschiede sein: Zum Finale des diesjährigen Sommertheater Festivals zelebrierte der Katalane Vicente Saez seine anmutige Wüsten-Choreographie Uadi - eine bekömmliche Mixtur arabischer, asiatischer und europäischer Tanzeinflüsse, die Saez im gleichförmig schwingenden Rhythmus seiner Inszenierung zusammenführt. Gelegentliche Anflüge von Kitsch und Sentimentalität konnte der junge Choreograph rechtzeitig entschärfen.

Ein gekrümmter Arm sinkt zeitlupenhaft nieder, gleich darauf wird der ganze Körper von der Bewegung erfaßt und dreht sich spiralförmig zu Boden. Zu den Klängen einer arabischen Laute und plätschernden Wassergeräuschen lassen drei Tänzerinnen ihre Arme wie Tempeltänzerinnen kreisen. Mehr und mehr beschleunigt sich der Rhythmus der Musik, bis die Tänzerinnen von ekstatischen Dreh- und Schleuderbewegungen geschüttelt werden und am Ende erschöpft liegen bleiben.

Aus dem Kontrast von Lethargie und geballter Dynamik treibt Vicente Saez seine Tanzbilder hervor, doch Brüche sind kaum zu erkennen. Fast organisch gleiten die Tanzsequenzen ineinander über, alles fließt in einer geschmeidigen Abfolge von Bewegungen dahin und scheint nur dem rauhen Klang der arabischen Trommeln und Streichinstrumente zu gehorchen (Musik: Luis Paniagua). Vom lyrischen Solo bis zur synchron getanzten Ensemble-Partie erprobt Saez sein Bewegungssrepertoire in unterschiedlichen Formationen, ohne daß der homgene Gesamteindruck darunter leidet.

Inspiriert von einer Reise durch die Wüste sucht der 31jährige Tänzer und Choreograph nach einer ästhetischen Form, in der sich die Klarheit des Wüstenerlebnisses wiederspiegelt. Uadi, die arabische Bezeichnung für ein ausgetrocknetes Flußbett, bedient sich im Fundus indischer Tempeltänzer oder zitiert die wirbelden Tänze arabischer Derwische. Doch genau wie die wiederkehrende Geste des Wasserschöpfens sind diese Zitate in dem abstrakten orientalischen Tanzgestus verschmolzen.

Gelegentlich entsteht der Eindruck einer virtuosen Monotonie, wenn überlieferte Tanzstile nur noch als exquisite Bewegungsmuster vorgezeigt werden. Auch das mystische Halbdunkel, in dem sich Vicente Saez und seine fünf Mittänzer vorzugsweise tummeln, wirkt manchmal wie plumpe Stimmungsmache. Doch der junge Künstler, einst Tänzer bei „Rosas“-Chefin Anne Teresa de Keersmaeker, hat seine Truppe ausgezeichnet im Griff: Durch technische Brillanz und bestechende Synchronität werden Durchänger immer wieder aufgefangen. Daß der Abend am Ende ein wenig lang gerät, kann man glatt verschmerzen. Rolf Suhl