Baumschützer auf der Giftliste

■ Dem Rotstift auf der Spur (10): Sind fünf Baumschutzbeamte nötig?

Bäume genießen den besonderen Schutz der bremischen Verfassung, die in dieser Hinsicht vom Naturschutzgesetz erfüllt wird und dieses wiederum von der Baumschutzverordnung. In der Praxis aber ergeben sich daraus immer wieder Streitfragen, die gute Nachbarschaften zerstören können. Darf ich etwa eine alleinstehende Eiche, deren Stammumfang in achzig Zentimeter Höhe 80 Zentimeter beträgt, einfach mir nichts dir nichts absägen?

Ein Blick in die Baumschutzverordnung Paragraph 1 sagt: Ja. Erst wo der Umfang in 1 Meter Höhe diese 80 Zentimeter beträgt, fängt der Naturschutz an. Handelt es sich dagegen um eine Eibe, sieht die Gesetzeslage ganz anders aus. Und wie steht es bei einer Baumgruppe mit Stammabstand von 5 Meter 50? Oder gar mehrstämmig ausgebildete Einzelbäume, wenn drei Stämme jeweils 20 Zentimeter Umfang haben?

Wir sehen schon: Der Fachmann ist gefragt, denn Zuwiderhandlung zieht Bußgeld nach sich. Und wenn ein Baum nicht unter den gesetzlichen Naturschutz fällt, ist die Baumschutzverordnung längst nicht am Ende mit ihrem Latein: „standortgerechte Neuanpflanzung“ ist das mindeste, was den Sägern auferlegt wird („Die untere Naturschutzbehörde kann Art und Größe der zu pflanzenden Gehölze festlegen“), dies „in der Nähe“ des abgeholzten Gehölzes, aber nur wenn es „möglich oder zumutbar“ ist, ansonsten ist eine Ausgleichszahlung zu leisten in der Höhe der für die Aufforstung nötigen Summe.

Fünf Beamte stehen im Bremer Behördentelefonbuch unter dem Stichwort „Baumschutz“, sie sind für die Interpretation und Durchsetzung der entsprechenden Verordnung verantwortlich. Wer zu einer beliebigen Tageszeit eine dieser Nummern wählt, wird mit einem Phänomen moderner Bürotechnik konfrontiert, das bei Behörden sonst in dem Umfang nicht bekannt ist: An jedem Apparat ist ein Anrufbeantworter geschaltet. Der sagt in unterschiedlicher Tonlage, daß der Kollege xy gerade leider nicht da, weil auf „Außendienst“ ist. Tag für Tag.

Klar, die Kollegen müssen Baumunfänge messen. Im Hause des Umweltsenators hat die Abteilung dafür das Etikett: „Die, die nie da sind“ erhalten. Die Abwesenheit ist allerdings mit dem Anrufbeantworter sanktioniert. Präsenz-Zeiten braucht keiner der fünf anzugeben.

Bei ihrer Suche nach kürzungsfähigen Haushaltstiteln ist die Senatsgruppe Aufgabenkritik irgendwann auch auf die Baumschutz-Abteilung gestoßen, die seitdem mit einem Spiegelstrich auf der „Giftliste“ steht. Doch halt: Fünf Beamte einfach weg? Im Ressort regt sich Widerstand, angeführt von Abteilungsleiter Werbeck. Mit Händen und Füßen wehrt der sich gegen den Wegfall seiner Leute.

„Dezentralisieren“ heißt also die sozialverträgliche Parole, unter der der Kompromiß gesucht wird. Wieso sollen die Ortsämter oder etwa der Verein „Öffentliches Grün“ diese Aufgabe nicht übernehmen? Also Leute, die eh über den Baumbestand bestens informiert sind?

Noch ist nichts entschieden. Was die Baumschützer selbst zu dieser Frage zu sagen haben, war ihrem Anrufbeantworter leider nicht zu entlocken. Klar ist nur eines: Falls die Durchführung der Baumschutzverordnung in diesem Sinne „dezentralisiert“ wird, bleibt Bedarf an einer Koordination und Aufsicht, die nur von der Behörde geleistet wird. Ob dafür ein Oberbaumschützer ausreichen wird? K.W.