■ Sánchez de Losadas Wahl zum Präsidenten Boliviens
: Seltsame, doch effektive Ehen

Seit 168 Jahren ist der 6. August ein besonderer Tag in Bolivien: Nationalfeiertag, Tag der Unabhängigkeit. Und alle vier Jahre Tag des (demokratischen) Machtwechsels – wenn es ihn denn gibt. Und seit elf Jahren gibt es ihn wieder. Gonzalo Sánchez de Losada, siegreicher Kandidat der MNR, jener Partei, die 1952 die Revolution in Bolivien machte, ist bereits der vierte Präsident in Folge, der in Bolivien friedlich die Macht übernimmt. Elf Jahre Demokratie am Stück, damit steht Bolivien auch im lateinamerikanischen Vergleich ziemlich gut da.

Faszinierend, wie es den Bolivianern in den letzten Jahren gelingt, mit Koalitionen, die jedermann für unmöglich hält, passabel funktionierende Regierungen auf die Beine zu stellen. Daß etwa Hugo Banzer, der Ex-Diktator der siebziger Jahre, 1989 einem eingeschworenen Feind seines Regimes, dem Ex-Revolutionär Jaime Paz Zamora von der MIR (gegen die MNR), zur Präsidentschaft verhalf, schien alle alten Gesetze von links und rechts in Bolivien auf den Kopf zu stellen. Und doch haben die beiden Gegner von einst in den letzten vier Jahren in fast brüderlicher Eintracht ihr „patriotisches Abkommen“ eingehalten – zu beiderlei Gewinn.

Daß die Bolivianer dieses Bündnis noch einmal, diesmal mit einem Präsidenten Banzer, wählen würden, war nicht zu erwarten. Demokratie heißt in Südamerika vor allem, eine Regierung – und sei es eine Koalition – abwählen zu können. Der neue Präsident Sánchez de Losada hatte schon bei den letzten Wahlen die meisten Stimmen bekommen, war aber dann durch die überraschende Koalition von links und rechts ausgetrickst worden. Diesmal aber hatte „Goni“, in den USA aufgewachsen und mit einem starken Yankee-Akzent geschlagen, alle guten Karten in der Hand. Als besonders geschickt erwies sich sein Schachzug, den Führer der indianischen Partei MRTKL, Victor Hugo Cárdenas, einen Aymara-Indianer vom Titicacasee, für eine Koalition zu gewinnen. Das Bündnis erhielt über 35 Prozent. Um die nötigen 50 Prozent für seine Wahl im Kongreß zusammenzubekommen, verband sich „Goni“ auch noch mit Max Fernandez, dem größten Brauereibesitzer des Landes, sowie mit der MBL, einer Abspaltung der MIR.

Das wirklich Interessante an der neuen Regierung ist aber zweifellos die Allianz zwischen der MNR und der indianischen Bewegung. Cárdenas, der neue indianische Vizepräsident, hat der MNR zum Sieg verholfen. Allein, auf sich gestellt hat die indianische Bewegung in Bolivien keine Chance. Cárdenas Erfolg wird nun davon abhängen, ob es ihm gelingt, die Interessen der indianischen Mehrheit des Landes in die Regierungspolitik einzubringen. Thomas Pampuch