Palästinenser-Delegation tritt zurück

Leiter der palästinensischen Delegation in den Nahostgesprächen kündigen Arafat Rücktritt an / Konflikt zwischen Palästinensern in besetzten Gebieten und PLO-Führung verschärft sich  ■ Aus Kairo Khalil Abied

Der Leiter der palästinensischen Delegationen in den Nahostverhandlungen, Feisal Husseini, sein Stellvertreter Saeb Erekat und Delegationssprecherin Hanan Aschrawi haben PLO-Chef Jassir Arafat ihren Rücktritt erklärt. Dies verlautete gestern aus palästinensischen Quellen.

Der Grund ist ein Fax aus der PLO-Zentrale in Tunis, das kurz vor dem Treffen der palästinensischen Delegation mit US-Außenminister Christopher am letzten Dienstag in Jerusalem eintraf. Darin wies Arafat die palästinensischen Unterhändler an, Christopher über die palästinensische Zustimmung zu dem US-Grundsatzpapier für die israelisch-palästinensischen Verhandlungen zu informieren. Arafat forderte lediglich einige kosmetische Modifikationen des Textes. Die Verhandlungsdelegation war entsetzt und beschloß erstmals und einstimmig, sich der PLO-Führung zu widersetzen und Arafats Schreiben bei ihrem Treffen mit Christopher nicht weiterzuleiten.

Die Amerikaner hatten ihr Papier während der zehnten Nahostrunde im Juni vorgelegt. Es sollte zwischen der israelischen und der palästinensischen Grundsatzerklärung für die Autonomiegespräche vermitteln. Die palästinensische Delegation, die in dem Papier nur einen Aufguß der israelischen Positionen sieht, hatte den US-Vorschlag während der letzten Verhandlungsrunde offiziell abgelehnt. Ihrer Meinung nach ist das Papier eine offene Verletzung der UN-Sicherheitsresolution 242, die noch während der Madrider Konferenz anerkannte Grundlage für den Nahostfriedensprozeß war. Besonders stutzig machte sie, daß in dem US-Papier nicht mehr von „besetzten“, sondern nurmehr von „umstrittenen Gebieten“ die Rede war. Nicht einmal die geographischen Grenzen des „umstrittenen Gebietes“ und des möglichen Geltungsbereichs der „Autonomie“ wurden erwähnt. Auch mit der Definition des Autonomiestatuts waren die Palästinenser nicht einverstanden. Die Amerikaner sprachen von Übergabe einiger Verwaltungsfunktionen. Die Palästinenser wollen klare Vollmachten, vor allem über Wasser und Boden. Der dritte Kritikpunkt der Verhandlungsdelegation: Die Diskussion über die Zukunft des arabischen Ostjerusalem soll – unverbindlich – auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, wie die Palästinenser befürchten. Die palästinensische Delegation fordert, daß die Übergangslösung im Kontext einer zukünftigen dauerhaften Lösung diskutiert wird.

Vor allem der ägyptische Regierungschef Mubarak soll Arafat zum Einschwenken auf USA-Linie gedrängt haben. Eigentlich wollte Mubarak Christopher Arafats Schreiben bereits in Kairo übergeben haben. Doch der US- Emissär bestand darauf, es aus den Händen der Palästinenser in Empfang zu nehmen und begnügte sich mit einer Kopie. Nach seiner Ankunft in Jerusalem fragte Christopher die Delegierten, wo das Arafat-Papier sei. Die Antwort: Es gebe bislang keine endgültige Fassung. Das erboste Arafat befahl den Unterhändlern in Jerusalem daraufhin, Christopher sein Schreiben beim zweiten Treffen am Donnerstag auszuhändigen. Das Papier erreichte den Adressaten, aber die Überbringer reichten den Rücktritt ein.

Als Nahostvermittler praktiziert Christopher gegenüber den Palästinensern eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Wenn sie dem US-Papier nicht zustimmten, könnten noch gefährlichere Dinge als im Südlibanon passieren, soll er nach Auskunft von Personen gedroht haben, die der Delegation nahestehen. Gleichzeitig lockte er die PLO-Führung mit dem Angebot: Wenn sie zustimme, könne Arafats Berater Nabil Scha'at womöglich Delegationsmitglied werden. Die PLO-Führung in Tunis erscheint Israel und den USA inzwischen weniger hartnäckig als die Vertreter von Westbank und Gazastreifen.

Delegationsleiter Abdel Schafi, dessen „Auswechslung“ die USA schon länger lancieren, hatte schon die letzte Nahostrunde boykottiert und weigerte sich auch, Christopher zu treffen. Ihm schlossen sich die Vertreter der ex-kommunistischen „Volkspartei“ an. Die Delegation sieht sich zunehmenden Schwierigkeiten gegenüber, die PLO-Linie bei den Palästinensern in den besetzten Gebieten noch zu vertreten. In einer Umfrage des „Jerusalemer Informationzentrums“ fordern gut die Hälfte aller Palästinenser einen Boykott der Verhandlungen in der gegenwärtigen Form. 87,7 Prozent unterstützen die Forderung Haidar Abdel Schafis nach mehr Glasnost und einer kollektiven Führung der PLO. Khalil Abied