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■ Gesetzentwürfe zum Sparpaket: „Null-Runde“ auch bei Sozialhilfe geplant
Bonn (dpa) – Das Bundesfinanzministerium hat die zwei angekündigten Gesetzentwürfe zur anstehenden Sparrunde ab 1994 für die Sondersitzung des Bundeskabinetts fertiggestellt. Danach ist vorgesehen, für Sozialhilfeempfänger auf eine Erhöhung ihrer Regelsätze vom 1. Juli nächsten Jahres bis zum 30. Juni 1995 zu verzichten. Für das sich anschließende Folgejahr bis Ende Juni 1996 soll eine Erhöhung bis zu drei Prozent bewilligt werden, höchstens jedoch in Höhe der voraussichtlichen Entwicklung der Nettolohn- und Gehaltssumme der beschäftigten Arbeitnehmer. Hierbei sollen die besonders stark gestiegenen Löhne der neuen Länder nicht berücksichtigt werden.
Zusammen mit einer Neuregelung der Festsetzung der Leistungen der Sozialhilfeträger für Pflegefälle würden die Kommunen so im Zeitraum 1994 bis Ende 1996 zusammen zwei Milliarden Mark – ab 1996 jährlich eine Milliarde Mark – einsparen. Andererseits räumt die Bundesregierung ein, daß die Gemeinden wegen der Leistungskürzungen an Arbeitslose und andere Einschränkungen der Arbeitsförderung wegen des Auffangnetzes Sozialhilfe mit bis zu vier Milliarden Mark jährlich belastet wird. Das sei aber „zumutbar“, heißt es unter Hinweis auf die vom Bund übernommenen Finanzierungsverpflichtungen aus dem Solidarpakt und der angestrebten Pflegeversicherung.
Mit den beiden Gesetzen wird nur ein Teil der angestrebten Haushaltsentlastungen von 25 Milliarden Mark im nächsten Jahr erreicht, von dem 21 Milliarden auf den Bund entfallen sollen. Weitere Einsparungen sollen über das Steuer- und Mißbrauchsgesetz kommen, über das das Bundeskabinett Anfang September entscheiden soll, andere wiederum im parlamentarischen Haushaltsverfahren im Laufe des Herbstes.
Der Gesetzentwurf, in dem die Sozialhilfe-Änderungen geregelt werden, bedarf der Zustimmung des Bundesrates, nicht dagegen der andere, jetzt vorliegende umfangreichere Entwurf, der die Kürzungen der Arbeitsförderung sowie des Kinder- und Erziehungsgeldes zum Inhalt hat. In diesem Gesetz wird auch die zur Bahnreform vorgesehene Erhöhung der Mineralölsteuer zum 1. Januar 1994 geregelt.
Außerdem werden darin – nach mehrjährigem Disput – überraschend auch der privaten Arbeitsvermittlung die Tore weiter geöffnet. Allerdings ist sie an die Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit geknüpft.
Während die gewerbliche Vermittlung – neben der der Bundesanstalt – im Normalfall noch nicht zur Erzielung von Gewinnen erfolgen soll, gibt es dagegen keinerlei Beschränkungen bei der Arbeitsvermittlung von Führungskräften der Wirtschaft. Daneben soll ein Modellversuch gestartet werden, um die Basis für die politisch umstrittene Privatvermittlung zu verbreitern.
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