Die Milch macht's nicht

■ Stuttgarts Manager mag keine Milch mehr / Werder mit fünf Toren Tabellenführer

Die Milch macht's nicht

Stuttgarts Manager mag keine Milch mehr/ Werder mit fünf Toren Tabellenführer

Stuttgarts Manager Dieter Hoeneß erschien am Sonntag abend nach dem Spiel des VfB bei Werder Bremen mit Sauermilch-Miene auf der Pressekonferenz. Zu viele hatten ihm in den letzten Tagen einen eingeschüttet: Erst Suttgarts Sponsor Südmilch mit seinen Konkurs- Schlagzeilen, und dann am Sonntag abend im Weserstadion noch die Bremer mit einem klaren 5:1-Sieg über seinen VfB. Als Werders Vize-Präsident Fischer dem Manager einen Kaffee anbot, nahm er zwar dankend an, Milch wollte er aber keine mehr. Auch dann nicht, als ihm Fischer ausdrücklich versicherte, daß es sich um Bremer Milch handele.

Otto Rehhagel auf der anderen Seite wollte Milch. Und zwar pur. Mit der neuen Saison hat Werder Bremen eine heimische Molkerei als Sponsor gewonnen, die ihre Viertelliter-Portionen kameragerecht auf dem Trainerpult plazieren darf. Die Produktreihe scheint aber noch nicht ganz ausgereift. Rehhagel, überzeugter Antialkoholiker, bekam den Plastikverschluß der Milchflasche nicht auf und stellte sie nach mehreren vergeblichen Versuchen entnervt wieder an ihren Platz zurück.

Beim Start der 31. Bundesliga- Saison im Weserstadion gab es eine kuriose Parallele zum Bundesliga-Start vor dreißig Jahren, als die Liga laufen lernte. Wie damals hatten beispielsweise die Fernsehkameras im Stadion das erste Tor des Tages nicht eingefangen. „Die Hauptkamera war aufgeschaltet, und die war nicht auf Ballhöhe“, erklärte ein Kameramann von Sat 1. Das war wie 1963, als der Dortmunder Timo Konietzka völlig unbemerkt von den Fernsehleuten im ersten Bundesliga-Spiel an der Weser 30 Sekunden nach Anpfiff zum 0:1 ins Werder-Tor traf.

Nur einer freute sich darüber diebisch. ZDF-Mann Klaus Töpperwien amüsierte sich sichtlich, daß von den Kameras des „Erstverwerters“ Sat.1 keine den Ball verfolgt hatte. Nach einem Foul von Thomas Berthold an Bernd Hobsch hatte Schiedsrichter Manfred Führer auf Freistoß entschieden. Daß er den Ball zur Ausführung nicht extra noch einmal freigeben mußte, wußten die 25.000 Zuschauer keine 15 Sekunden später. Die Stuttgarter Abwehrmauer wollte sich gerade formieren, Torwart Immel stand am rechten Pfosten seiner Bude und wies die Positionen an. Alle waren beschäftigt, und das sah Andreas Herzog. Ohne lange zu fackeln lief er auf den Ball zu und schob ihn aus 25 Metern locker an der halbfertigen Mauer vorbei. 1:0 für Bremen.

Groß war die Aufregung, und selbst die grünweißen Fans glaubten erst an ein Tor, als der Schiedsrichter zum Anstoßpunkt zeigte. Die heißdiskutierte Frage lautete: War der Ball zu weit weg vom Tatort des Fouls? Aber nur die Stuttgarter diskutierten sie. Werders Trainer Otto Rehhagel hatte nach dem Spiel für sie eine kleine Wahrheit aus seinem Erfahrungsschatz parat: „So ist Fußball.“

Zweimal Herzog, Hobsch und zweimal Rufer sorgten für den Kanter-Sieg der Bremer und für Euphorie im Publikum, zwischendurch traf Fritz Walter für Stuttgart. Nur Trainer Rehhagel blieb reserviert und ließ sich vom Torreigen seiner Mannschaft nicht blenden. „Bei hohen Bällen haben wir hinten nicht ein einziges Kopfball-Duell gewonnen.“ Das muß er diese Woche noch üben, mit Neubarth, Basler, Beiersdorfer. Denn am kommenden Wochenende trifft Werder Bremen als erster Tabellenführer der Saison 1993/94 auf Eintracht Frankfurt, die zum Auftakt in Mönchengladbach mit Wirbelsturm vier Tore geschossen hat. mad