■ Schweizer Sträflinge können sich bald freikaufen
: Vergitterte Hotelzimmer noch billiger

Bern (taz) – Die Knäste in der Schweiz könnten sich schon bald kräftig leeren. Denn Gefängnisstrafen unter sechs Monaten, das sind neunzig Prozent aller Freiheitsstrafen, sollen nach einem neuen Gesetzentwurf abgeschafft werden. Die Delinquenten sollen sich demnach künftig auslösen können. Die Richter können dann künftig festlegen, mit wieviel Tagessätzen die Schuldigen zu bestrafen sind. Je nach Einkommen wird ein Tagessatz ermittelt, der bis zu 1.000 Franken hoch sein darf. Für Verkehrssünder und kleinere Diebe gibt es künftig grundsätzlich Strafen nach diesem Verfahren, die Höchststrafe beträgt dann 180 Tagessätze. Der Hintergrund: Das Verwahren von Übeltätern ist eine kostspielige Angelegenheit. In manchen Kantonen ist man schon dazu übergegangen, Gefängnisstrafen gegen eine Gebühr umzuwandeln. Demnach muß der Täter lediglich im Gefängnis übernachten, tagsüber darf er seinem Beruf nachgehen. Das vergitterte Hotel kostet deutlich weniger, die Täter zahlen 20 Franken und mehr, und die Verwaltung spart obendrein Wärter ein. Außerdem gilt als erwiesen, daß Bewährungsstrafen deutlich weniger Rückfalltaten nach sich ziehen. Wird jeder zweite Inhaftierte später noch einmal erwischt, frißt nur einer von zehn mit zur Bewährung ausgesetzten Strafen später wieder aus dem Blechnapf.

Weitere Veränderungen: Kinder sollen alsbald nicht mehr schon ab sieben, sondern erst ab zwölf Jahren zur Verantwortung gezogen werden, dafür aber härter als bisher. Betrug die Höchststrafe für über 16jährige bislang ein Jahr, so kann ein Gefängnisaufenthalt für Jugendliche bald viermal solang dauern. Außerdem werden Gefängnisstrafen spätestens nach 15 Jahren aus dem Strafregister gelöscht. Falk Madeja