Ein Pazifist denkt selbst

■ betr.: "Ein glatter Mißerfolg", taz vom 5.8.93

betr.: „Ein glatter Mißerfolg“, taz vom 5.8.93

Herr Rathfelder spricht vom Zynismus deutscher Pazifisten, obwohl er die Grundprinzipien dieser Denkrichtung niemals verstanden hat. Er verlangt von den Friedensmarschierern klare politische Forderungen und positive Stellungnahmen zu den Werten der bosnischen Gesellschaft. Damit würden sich die Menschen, die mit diesem Marsch ihr Leben aufs Spiel setzen, mit dem was sie wollen, auf die politische Ebene zurückversetzen.

Um für oder gegen etwas Partei zu ergreifen, muß niemand im Hochsommer mit zehn Kilo auf dem Rücken durch ein Kriegsgebiet laufen. Dafür gibt es bequemere und meist auch besser bezahlte Positionen. Doch deren Inhaber vollbringen nur noch sehr selten bewundernswerte Großtaten, die uns vor Ehrfurcht erstarren lassen. Viele Menschen scheinen damit und mit der Welt, die sie umgibt, zufrieden zu sein. Solange in TV-Shows hitzige Debatten geführt werden, ist die Demokratie gesichert und man selbst nicht genötigt, etwas zu tun. Ein Pazifist überläßt dieses kleinkarierte Ringen um Machbares und das Dabeizuschauen anderen und denkt selbst. Für ihn zählt nur eins, und das ist die Ablehnung von Gewalt in jeder Form. Daß er sich mit dieser Idee auf einem anderen Level befindet als mancher Kommunalpolitiker, sollte eigentlich klar zu machen sein.

Der Pazifist steht damit in einer Tradition, die älter ist als Bosnien- Herzegowina und unser neues Deutschland zusammen. Wenn Menschen aus dieser Grundposition heraus etwas tun, sollte man mit Kritik vorsichtig sein und sich überlegen, ob es nicht Dinge gibt, die eher zu verurteilen sind als ein Friedensmarsch. [...] Frank Hertel, Würzburg