Konservative Revolution in Japan

■ Das neue Kabinett verspricht Kontinuität statt Wandel

Tokio (taz) – Der neue japanische Premierminister Morihiro Hosokawa hat am Montag das Kabinett seiner Sieben-Parteien-Koalition vorgestellt. Alle für die Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik wichtigen Ministerien unterstehen darin Mitgliedern der neuen konservativen Parteien, welche die Kontinuität zur bisherigen Regierungspolitik wahren. Risikoreiche Reformjobs in den von Skandalen heimgesuchten Ministerien gingen hingegen an Sozialdemokraten, die in Hosokawas Koalition ganz links stehen.

Insgesamt aber deuten alle politische Signale auf Fortbestand statt Wandel. Zwar betonte Premier Hosokawa: „Wir werden alles versuchen, um in die Geschichte einzugehen.“ Historisch bedeutsam ist der erste Regierungswechsel nach 38 Jahren ununterbrochener Einparteienherrschaft gewiß – sind programmatische Erneuerungen deshalb nicht mehr gefragt? Der neue Finanzminister Hirohisa Fujii von der „Erneuerungspartei“ (JRP) ließ nach seiner Ernennung keine Stunde vergehen, um alle bisher gültigen Prinzipien der japanischen Finanzpolitik zu bestätigen: Er lobte den Erfolg der konjunkturellen Maßnahmen seiner Vorgänger, schloß zusätzliche Haushaltssteigerungen aufgrund des drohenden Defizits aus und schob eine bereits versprochene Steuerreform aufs Abstellgleis.

Ebenfalls im Gegensatz zu ihren früheren Wahlversprechen rieten die zu Ministern avancierten Führer der buddhistischen Komei-Partei und der Demokratischen Sozialisten von Einkommenssteuerkürzungen für die Konsumbelebung ab. Damit scheint die Kernforderung der ehemaligen Opposition nach Steuererleichterungen für die Endverbraucher unter dem Druck der einflußreichen Finanzbürokratie bereits gescheitert zu sein. Von der erst im Juni aus der alten Regierungspartei hervorgegangenen JRP besetzen außerdem Parteichef Tsutomu Hata das Außenministerium und Hiroshi Kumagai das Industrie- und Außenhandelsministerium (MITI).

Mit den unabweisbaren Reformaufgaben der neuen Regierung aber müssen sich nunmehr Sozialdemokraten herumschlagen. Ihr Parteichef Sadao Yamahana übernahm das neu geschaffene Amt für „politische Reform“. Yamahana übersieht damit die Neufassung des Wahlgesetzes aus den zwanziger Jahren, die besonders den eigenen Sozialdemokraten weh tun wird. Falls das Kabinett jedoch an ihrem wichtigsten Reformvorhaben scheitert, können Hosokawa und seine konservativen Freunde bequem auf die Sozialdemokraten als Sündenböcke verweisen. Ebenso heikel ist die Aufgabe des neuen sozialdemokratischen Bauministers, ein Posten, der in Japan nach Geld geradezu riecht. Zur lukrativen Auftragsverteilung für die Wahlkreise von sozialdemokratischen Gnaden kommt der neue Minister nämlich zu spät; statt dessen darf er die gerade von der Staatsanwaltschaft aufgedeckten Machenschaften zwischen Bauindustrie und Politikern ausheben – ein Heldenjob, wahrscheinlich ohne Siegeschance.

Wie isoliert die progressiven Reformer in der Regierung sind, wurde vor allem durch die Ernennung zweier parteiloser Minister unterstrichen: Zur Erziehungsministerin wurde die konservative Bürokratin und ehemalige Botschafterin Ryoko Akamatsu berufen. Justizminister wurde der 72jährige Juraprofessor Akira Mikazuki, der mit der Ankündigung aufwartete: „Menschliche Gefühle werden während meiner Amtszeit der Ausführung von Todesstrafen nicht im Wege stehen.“ Georg Blume