Polens Papst gegen Polens Kirche

Nachdem der Vatikan den Einfluß von Primas Glemp beschränkt hat, wird es im polnischen Episkopat lebendig: Im Wahlkampf setzt man nicht nur auf christnationale Parteien  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die wundersame Verwandlung fand in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar dieses Jahres statt. Am nächsten Tag erschien die Tageszeitung Slowo Powszechne („Wort für alle“) nur noch mit dem Titel „Slowo“, dafür aber mit dem Zusatz „katholische Tageszeitung“ – ein Titel der von der Kirche nur an offiziöse und von ihr anerkannte Blätter verliehen wird und beinhaltet, daß ein Priester als Hüter der reinen Lehre in die Redaktion entsandt wird. Verliehen hatte den Titel Primas Glemp als Bischof von Warschau, eine Tatsache, die erhebliches Kopfschütteln auslöste. Denn bis dahin war Slowo Powszechne das Leib- und Magenblatt der Blockpartei „Pax“ gewesen, einer Organisation, die nach dem Krieg im Auftrag der Kommunisten von einem Vorkriegsfaschisten gegründet worden war, um die katholische Kirche durch Spaltungen auszuschalten.

Ohne daß „Pax“ zu einem Wort des Bedauerns über seine antikirchliche (und häufig nationalistische und antisemitische) Vorgeschichte genötigt worden wäre, erhielt es von Primas Glemp die Absolution.

Die Kritik an dieser reibungslosen Wende kam nur wenige Monate später in Form eines Satzes, den das polnische Episkopat in eine vielbeachtete Erklärung über das christliche Wertesystem einflocht: „Die bereits bestehende Verwirrung (der Werte) wird noch potentiert durch die Tatsache, daß Personen, die wegen ihrer Unterwürfigkeit gegenüber den kommunistischen Machthabern bekannt sind, versuchen, nun in der Rolle von Moralisten und Verteidigern des Rechts aufzutreten. Ihre derzeitige Kritik an der Kirche ist ein ähnliches Element politischer Taktik wie die jener, die versuchen, aus anderen Positionen heraus Haß zu predigen und sich dabei auf die katholische Soziallehre berufen.“ War der erste Teil eine Attacke auf Polens Linke und Liberale, so richtete sich der zweite gegen die falschen Freunde: Politiker und Organisationen, die als Verteidiger der Kirche auftreten und dabei oft weit über das Ziel hinausschießen.

Die Erklärung war aber auch ein Zeichen dafür, daß die wundersame Verwandlung, die Primas Glemp den früheren „Regimekatholiken“ von Slowo angedeihen ließ, nicht bei allen Bischöfen Beifall gefunden hatte. Der Danziger Bischof Tadeusz Goclowski erklärte in einem Interview: „Ehrlich gesagt, ich war nicht dafür, dieses Etwas wieder zum Leben zu erwecken und daraus eine katholische Zeitung zu machen.“

Seit Primas Glemp durch mehrere Entscheidungen des Vatikan über die administrative Neugestaltung der polnischen Diözesen, die Entsendung eines Nuntius nach Polen und nun auch durch den Abschluß eines Konkordats zwischen dem Vatikan und Polen erhebliche Einbußen seines früheren Einflusses hinnehmen mußte, ist es im polnischen Episkopat lebendiger geworden: Nun ist manch einer bereit, selbst äußerst kirchenkritischen und linken Zeitschriften Interviews zu geben.

Noch 1991 hatte das Episkopat während des Wahlkampfes formell seine „Nichteinmischung“ erklärt, zahllose Priester hatten jedoch von der Kanzel offene Propaganda für die „Katholische Wahlaktion“ betrieben, hinter der Polens Christnationale stehen. Der neue Stil der Bischöfe hat nun auch dazu geführt, daß im laufenden Wahlkampf die Kirche sich nicht nur für eine politische Richtung engagiert.

Der Danziger Bischof Tadeusz Goclowski lud erst Christnationale und einige kleinere kirchenfreundliche Parteien zu sich, doch als die neue Koalition geschmiedet war, versuchte er, auch gleich noch einen „Nichtangriffspakt“ mit den anderen bisherigen Regierungsparteien zusammenzubringen.

Es war der Versuch, die Reformparteien zusammen in den Wahlkampf zu schicken und so eine solide Basis für eine Regierung nach den Wahlen zu schaffen. Womit der häufig wiederholte Vorwurf, die Kirche engagiere sich nicht für die Reformen, zumindest auf Goclowski nicht mehr zutrifft.

Nicht zu übersehen ist auch bei diesen Veränderungen der Einfluß Roms, denn sie begannen bereits vor einem Jahr mit einer Neubesetzung der Bischofssitze in Polen. Damals ernannte der Papst etwa Bischof Henryk Muszynski zum Erzbischof von Gnesen, die er von Warschau trennte. Primas Glemp verlor die historisch wichtige Diözese, der als liberal geltende Muszysnki, im Episkopat zuständig für den Dialog mit dem Judaismus, dagegen avancierte.

Sein Nachfolger im Bistum Breslau wurde dagegen Bronislaw Dembowski, bekannt für geradezu „linke“ Sprüche über notwendige Kirchenreformen und sogenannte „christliche Parteien.“ Hintergrund dieser Entscheidungen ist dabei der Widerspruch, den Glemps bisherige polnisch-nationale Linie beim immerhin ebenfalls polnischen Papst in Rom findet, diese nämlich erschwert die derzeitige Ostpolitik des Vatikan, die auf eine Rekatholisierung der Westukraine ausgerichtet ist.

Unter diesen Vorzeichen hat der Papst die Diözese Przemysl aus dem polnischen Episkopat gelöst und direkt Rom unterstellt. Polens ukrainische Katholiken unterstehen seither nicht mehr Warschau, sondern dem Bistum in Przemysl, ganz gleich, wo in Polen sie wohnen.