Pogrome in Nigerias Ölfeldern

■ Nigerias Militär zerstört Ogoni-Dörfer

Berlin (taz) – Der Konflikt zwischen Nigerias Zentralregierung und dem nach Autonomie strebenden Volk der Ogoni, das mitten in den Ölfeldern des Südostens lebt und seit Monaten gegen die Zerstörung seiner Lebensgrundlagen durch die Ölförderung protestiert (siehe taz vom 7.8.), spitzt sich zu. Journalisten konnten am Wochenende den Ogoni-Ort Kaa besuchen und erfahren, wie am vergangenen Mittwoch Soldaten die Häuser zerstörten, Massaker anrichteten und die 5.000 Bewohner vertrieben.

„Sie kamen vom Ufer und gingen in den Markt“, beschrieb der Ortsführer Adolphius Mesuadebari auf einer öffentlichen Versammlung der Vertriebenen im Nachbardorf Eekwe den Überfall. „Als sie in die Stadt kamen, fingen sie an zu schießen.“

Die bewaffneten Angreifer gehörten zum Volk der Andoni, das auf der anderen Seite eines Flußarmes bei Kaa liegt, und wurden von nichtidenfizierten Männern in Armeeuniformen angeführt. Die Lehrerin Maria Nwiku erzählte, sie sei bei den ersten Schüssen aus ihrem Haus gegangen und dann von einer Kugel getroffen worden; während sie hilflos am Boden lag, mußte sie mitansehen, wie ihre beiden Kinder erschossen wurden und Soldaten in das Haus stürmten, um ihren Mann und das dritte Kind ebenfalls zu töten und das Haus in die Luft zu sprengen. Sie konnte sich noch ins Gebüsch retten. „Mein Mann ist tot. Alle meine Kinder sind tot“, erklärte sie. „Es ist nichts mehr da. Mein Haus ist weg. Mein Eigentum. Alles ist weg.“

Alle Häuser in Kaa wurden nach Angaben der Flüchtlinge zerstört, auch das Schulgebäude. Die Felder wurden abgebrannt. Mindestens 35 Menschen wurden getötet, viele werden noch vermißt – Mesuadebari sprach von 500, die noch gesucht werden. „Viele Kinder fehlen, weil sie nicht rennen konnten“, sagte er auf der Versammlung am Wochenende. „Wir sind durch den Busch gelaufen, und sie werden nicht wissen, daß wir hier sind.“

Die Zerstörung von Kaa fügt sich für die Ogonis in eine eskalierende Kampagne der nigerianischen Regierung gegen ihre Autonomiebewegung „Mosop“. Auf Bitten des Ölmultis Shell, den ungehinderten Fortgang der Ölförderung zu gewährleisten, wurde im Mai das Ogoni-Siedlungsgebiet von Soldaten abgeriegelt. Um den Widerstand der Ogonis zu brechen und zu verhindern, daß er sich auf andere Völker der Region ausweitet, scheint die Regierung seither bestrebt zu sein, den Konflikt durch Bewaffnung anderer Volksgruppen in einen „Stammeskrieg“ umzulenken und so die Militärpräsenz als Befriedungsmaßnahme begründen zu können. Die Ogoni- Autonomiebewegung Mosop schrieb in einem Protestbrief an Nigerias Präsident Ibrahim Babangida, 25 Ogoni-Siedlungen seien in den letzten zwei Wochen zerstört worden, Hunderte von Menschen hätten den Tod gefunden. D.J.