Kein Rückgriff auf Notlagenindikation

■ Interview mit der SPD-Politikerin Inge Wettig-Danielmeier zum Paragraph 218

taz: Was halten Sie von dem Vorstoß der saarländischen Frauenministerin Krajewski, die davon ausgeht, daß auch während der von Karlsruhe beschlossenen Übergangsregelung die soziale Notlagenindikation bei Abtreibungen und ihre Finanzierung durch die Krankenkassen noch existiert?

Inge Wettig-Danielmeier: Ich halte diese Interpretation des Urteils für höchst bedenklich. Ich kann nur davor warnen, die Notlagenindikation durch die Hintertür wieder in ein auf der Eigenverantwortlichkeit der Frau basierendes Beratungsmodell einzuführen. Auch das Bundesverfassungsgericht meint, daß sich die Notlagenindikation mit dem offenen Beratungsmodell nicht verträgt. Für mich ist es auch eine Frage der Opportunität. Wenn wir jetzt vom Sozialdemokratischen Lager her wieder die Notlagenindikation einführen, geben wir all denen Wasser auf die Mühlen, die in der CDU mit dem Urteil des Verfassungsgerichts unzufrieden sind und am liebsten sofort zu engen und beschränkten Indikationslösungen zurückkehren würden. Vernünftiger ist es, den Weg weiterzuverfolgen, den insbesondere sozialdemokratisch regierte Länder bisher gegangen sind. Darunter fällt die großzügige Auslegung der „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ über die Sozialhilfe. Damit würden meiner Ansicht nach die meisten Frauen den Schwangerschaftsabbruch finanziert bekommen. Man muß nur noch andere institutionelle Lösungen anstreben, als die über den Gang zum Sozialamt.

Angesichts der Einsparungen im gesamten Sozialbereich bleibt jedoch fraglich, ob die Kommunen die Belastungen dieser zusätzlichen Sozialhilfekosten verkraften können und wollen.

Nach dem Karlsruher Urteil müssen diese Kosten ja nicht notwendigerweise von der Sozialhilfe und den Kommunen getragen werden. Das Karlsruher Urteil deutet ja nur eine Anlehnung an die Sozialhilferegelung an. Ich denke, bei der Finanzierungsfrage werden wir uns beim anstehenden Gesetzgebungsverfahren sicher noch am ehesten über Parteigrenzen hinweg einigen können, wenn wir den Ausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hinkriegen. Denn die Kosten dürfen nicht nur den Gemeinden aufgehalst werden.

Wie steht es um das weitere Gesetzgebungsverfahren? Aus CDU/ CSU-Kreisen verlautete, es gebe derzeit eine Arbeitsgruppe der Fraktion unter Führung des Kanzleramters, die bis Ende August einen neuen Gesetzesentwurf zum § 218 vorlegen will.

Angestrebt ist, daß jede Fraktion einzelne Vorschläge zu einem neuen Gesetzesentwurf einbringt, und daß wir dann versuchen, zu einem Konsens zu kommen. Am schwierigsten wird der ganze Prozeß bei der Beratung und der Zulassung und Überwachung der Beratungsstellen sein. Hier sehe ich im Moment noch keine Lösungsansätze, zumal es keine Lösung ohne die SPD geben wird. Denn das neue Gesetz ist erneut im Bundesrat zustimmungspflichtig.

Interview: Karin Flothmann