■ Deutsche Polizeibeamte vertreiben sich die Langeweile
: Ein Tag im Bundeskriminalamt

Wiesbaden, Thaerstraße. Dreiundfünfzigster Stock letzten Mittwoch. „Fünf Mark, daß als nächster Moog reinkommt.“ „O.k. Da halt ich mit.“ Die Tür geht auf. „Komm, gewonnen. Schieb rüber.“ Kriminalhauptkommissar Moog knallt seine Tasche wütend auf den Schreibtisch. „Was ist denn los, Robert?“ „So ein Mist, Gerade zwanzig Eier an den Pförtner verloren, weil er doch mit nur einem Schuß die Fahrstuhlanzeige runterholen konnte.“ „Das ist ärgerlich, wirklich. Aber komm, Robert. Zehn Mark, daß du den Ärger schon in fünf Sekunden vergessen hast. O.k.?“ „Nie im Leben. Aber gut. Die Wette gilt.“ Kriminalhauptkommissar Moog setzt sich. Kriminaloberkommissar Schaupers schaut auf die Uhr: „Fünf, vier, drei, zwei, eins. Und? Schon vergessen, Robert?“ „Vergessen? Was denn?“ Schaupers hält feixend die Hand rüber: „Zehn Mark. Aber pronto.“

Oberregierungsrat Latussek kommt herein: „Los, schaltet eure Funksprechanlage ein. Es geht jetzt los. Die Jungs im Strandbad Großen schlagen gleich zu.“ „Fünf Mark, daß sich dieser Tschurnin wieder nicht an die Funkdisziplin hält“, schlägt Schaupers vor, „wer hält dagegen?“ „Tschurnin? Wer ist das?“ „Du weißt doch. Das ist der Vergeßliche. Der hat doch letztes Mal bei der Großrazzia in der Markthalle hinterher nicht mehr den Mannschaftswagen gefunden und kam mit'm Taxi in die Kaserne zurück.“ „Erinnere mich. Fünf Mark?“ fragt Latussek, „da bin ich dabei.“

„Welche Sau weiß, wo ich meine MPi hingestellt habe?“ krächzt es aus dem Lautsprecher.

„Mist“, murmelt Latussek, während er die fünf Mark den Tisch rüberschiebt. „Aber ich setze zehn Mark, daß er gleich dafür von der Einsatzleitung eins auf den Deckel bekommt.“

„Hier spricht die Einsatzleitung“, kommt es aus dem Lautsprecher, „einer von euch muß nachher noch vom Tengelmann zwei Kästen Bier für unsere Grillparty heute abend holen. Denkt dran.“ Latussek faltet wehmütig seinen Zehn-Mark-Schein.

„Achtung. Jetzt tritt Kode ..., äh, also der Kode... Ihr wißt schon, jetzt greifen wir uns gleich die Burschen“, sagt der Lautsprecher. „Zwanzig Mark, daß sie wissen, wer unser V-Mann ist“, setzt Latussek alles auf eine Karte, um sein Geld wieder zurück zu gewinnen. „Wer ist denn unser V-Mann?“ fragt eine Stimme. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich der mit der Armbinde, in der wir das Mikrophon versteckt haben.“ „Aber die tragen alle Armbinden.“ Und nach einer Pause: „Hallo? Einsatzzentrale? Die tragen alle Armbinden.“

„Na gut, schnappt euch halt alle. Wir fragen dann später. Und vergeßt nicht das Bier.“

„Zehn Mark“, setzt Schaupers wieder eine neue Wette in die Welt, „daß die jetzt ein Funkloch haben.“

„Hallo? Einsatzkräfte? Hier spricht die Einsatzzentrale. Schießt...“ Ein ohrenbetäubendes Maschinengewehrfeuer kommt aus dem Lautsprecher. „Hallo Einsatzzentrale? Hallo? Hallo? Haben wir ein Funkloch, Einsatzzentrale? Bitte melden.“ „Einsatzkräfte? Hallo? Anscheinend haben wir ein Funkloch. Ich wiederhole die letzte Anweisung: Schießt noch nicht.“

Für mehrere Minuten absolute Stille.

„Hallo? Einsatzkräfte? Hier ist die Einsatzzentrale. Was ist da los bei euch? Bitte melden.“ „Hier ist Rust, Einsatzzentrale.“ „Rust? Was machen Sie am Funkgerät? Sie sind doch nur ein Lehrling. Geben Sie mir sofort Ihren Vorgesetzten.“ „Die sind alle weg.“ „Weg?“ „Ja, zu Tengelmann. Das Bier holen.“

„Was ist da los bei euch?“ „Wir haben 342 Terroristen erschossen.“ „Dreihundertzweiundvierzig?“ „Ja...“ Eine kleine Pause, dann wieder die Einsatzzentrale: „Na gut. Soll sich unsere Presseabteilung mit rumschlagen, wie die das wieder erklärt bekommen.“

„Zwanzig Mark“, sagt Moog ganz aufgeregt, „daß die Leute mit den Armbinden entkommen sind.“ „...nur die fünf Leute mit den Armbinden sind entkommen. Aber sonst haben wir sie alle.“

„Zehn Mark“, läßt Moog nach diesem Erfolg nicht locker, „daß er jetzt nach den Operationsnarben fragt.“ „Rust? Haben die Terroristen ihre Operationsnarben gezeigt?“ „Negativ. Negative Identifizierung. Konnte man wegen all der Armbinden nicht richtig sehen.“ „Zehn Mark, daß die taz jetzt wieder schreibt, uns wäre ein Fehler unterlaufen“, sagt Schaupers mittags in der Kantine. Aber Moog mochte nicht dagegenhalten. Nane Jürgensen