Haare auf den Zähnen

■ betr.: "Beinhaare und Froschschenkel", taz vom 6.8.93

betr.: „Beinhaare und Froschschenkel“, taz vom 6.8.93

[...] So stimmt das Weltbild: im weißen Norden die fortschrittlichen, emanzipierten Frauen und je weiter südlich, um so unterdrückter, geistloser, bedauernswerter die armen Geschlechtsgenossinnen. Hätte unsere Autorin den Versuch gemacht zu verstehen, warum Millionen Frauen, die nicht unbedingt dümmer als sie sind, eine andere Einstellung zu ihrer Körperbehaarung haben, wäre ihr einiges aufgefallen.

Beispielsweise hätte sie bemerken können, daß bei allem Einsatz für die Gleichheit der Menschen wohl nicht geleugnet werden kann, daß sie blond, brünett, dunkler, heller, größer, kleiner, mit runden Augen und länglicheren Augen etc. und damit durchaus unterschiedlich in ihrer Physiognomie sind. Unter anderem ist auch die Verteilung der Haare auf dem Körper nicht gleichmäßig über die Welt verstreut.

Bei Berücksichtigung dieser schlichten Erkenntnis wird sich auch die Feststellung: daß „Skandinavien und Deutschland offenbar eine Art narrenfreier Zone“ in einer von Haarfobie befallenen Welt sind, neu darstellen. Frau müßte überlegen, ob es außer der den südländischen Frauen unterstellten Rückschrittlichkeit noch andere, gar nachvollziehbare Gründe geben könnte.

Hängt es womöglich damit zusammen, daß Frauen in einigen Regionen anders, nämlich wenn überhaupt, dann weniger und in einem unauffälligen Blond behaart sind? Ein Blick auf die Kopfbehaarung der Frauen aus den „narrenfreien Zonen“ und der Südländerinnen macht doch schon einiges an Unterschied deutlich. Unser dichtes, festes, schnell wachsendes Kopfhaar ist unseren meisten Geschlechtsgenossinnen aus den weniger behaarten Gegenden schon immer einen bewundernden und/ oder neidvollen Blick wert gewesen: Und nicht wenige (auch im alternativsten Kreuzberger Friseurladen zu beobachten), die sich mit großem Aufwand die kaum sichtbaren, da zu hellen, Wimpern färben lassen, bemerken, daß wir seltener Wimperntusche und Augenbrauenstift benötigen, da alles von Natur aus dunkler und damit deutlich sichtbar ist.

Wir wundern uns unsererseits über den Aufwand, den manche nordische Frau treibt, um ihrem flachen Busen ein umfangreicheres Aussehen zu geben oder ihre dünnen Flaumhaare mit Hilfe von Schaumfestigern und Bier auf ein dickes Volumen aufbauschen zu können.

Jede Frau mag es mit ihren Härchen halten, wie sie will. Wenn aber in diesem überheblichen Ton die einen den anderen erzählen wollen, daß ihr und nur ihr Verständnis von Körperpflege, Schönheitsideal, männlich, weiblich allgemein gültig zu sein hat und sie andere durch taz-Artikel zum Widerstand gegen jedes andere Verständnis, das nur rückständig sein kann, aufrufen, dann wachsen mir vor allem Haare auf den Zähnen. [...] Emine Dogan