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Fünfte Gewalt PR

■ dpr statt dpa? Ein neuer Service der Nachrichtenagentur

Die Global Media Services GmbH (GMS), ein Tochterunternehmen der Deutschen Presseagentur (dpa), plant einen Übermittlungsdienst per Satellit für Presseerklärungen und andere Verlautbarungen von Unternehmen und Organisationen. Damit können diese Absender ihr PR- Material direkt und schnell in die Redaktionen überspielen. Auf der nächsten dpa-Aufsichtsratssitzung im Dezember soll darüber entschieden werden.

Interessierte Institutionen und Firmen werden sich dann Sendekapazität mieten können, um Redaktionen im Bundesgebiet schneller als bisher mit Originaltexten zu beliefern. Dabei werde das Material vom GMS nicht weiter journalistisch bearbeitet, sondern nur technisch weitergeleitet, erklärt der stellvertretende Leiter des dpa-Auslandsverkaufs, Esteban Bayer: „Das ist ein Übermittlungsangebot.“ Die potentiellen Kunden aus Wirtschaft, Parteien und anderen Organisationen könnten so sicherer sein, daß ihr Material nicht im Wust der Presseerklärungen und Telefaxe untergehe, die die Redaktionstische tagtäglich überschwemmen.

In anderen Ländern gibt es bereits solche Dienste: unter anderem bei der US-Agentur AP, der österreichischen APA und der schweizerischen SDA. Deshalb folge man mit dem geplanten Angebot nur der allgemeinen Entwicklung, so der dpa-Auslandsverkaufsleiter.

Die Gefahr, daß JournalistInnen das PR-Material mit unabhängigem, journalistisch bearbeitetem dpa-Material verwechselten, sei nicht gegeben: Der neue Dienst solle getrennt von anderen dpa- Diensten angeboten werden, wie das GMS bereits seit längerem mit einem PR-Bilderdienst sowie einer Kolumne von „Kaiser“ Franz Beckenbauer praktiziere.

Die dpa GmbH gehört 200 Gesellschaftern. Das sind Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sowie Rundfunkveranstalter, die allerdings nicht mehr als jeweils 1,5 Prozent der Anteile besitzen dürfen. Das dpa-Angebot in der Bundesrepublik umfaßt 19 verschiedene Dienste, vom Basisdienst über einen Gedenktagekalender bis zum Bildarchiv; sieben weitere Dienste werden für das Ausland produziert. Zudem hat die dpa sechs Tochterunternehmen sowie Beteiligungen an Firmen wie dem Globus Kartendienst, den Vereinigten Wirtschaftsdiensten VWD oder GMS.

PR verkauft sich leichter als News

Mit ihren verschiedenen Aktivitäten erwirtschaftete die dpa im vergangenen Jahr einen Gewinn von 1,5 Millionen Mark, der Gesamtumsatz stieg um rund sieben Prozent auf 180 Millionen. Einige Tochterunternehmen konnten sogar Umsatzsprünge von fast 30 Prozent verzeichnen. Kein Wunder also, daß die dpa plant, ihr GMS-Engagement auszudehnen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die seit 1991 genutzten digitalen Satellitenkapazitäten effektiver zu nutzen. Die dpa-Planer liegen voll im Trend, der PR-Bereich boomt: Bereits 1991 lag der Anteil der PR an den Werbeausgaben bei 15 Prozent (= sechs Milliarden Mark), so Gerhard Pfeffer, Geschäftsführer der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG).

Und wofür wird soviel Geld ausgegeben? „Identität, Zielsetzung und Interessen einer Organisation sowie deren Tätigkeiten und Verhaltensweisen nach innen und außen zu vermitteln“, so lautet die nette PR-Definition der DPRG. Öffentlichkeitsarbeit solle „den wirtschaftlichen und sozialen Handlungsspielraum einer Organisation im Prozeß öffentlicher Meinungsbildung schaffen und sichern“.

Immer mehr machen in „Stimme ihres Herrn“: Zwischen 1987 und 1992 wuchs die Zahl der im PR-Bereich hauptberuflich Tätigen um 50 Prozent auf 15.000. Im Vergleich dazu gibt es in den alten und neuen Bundesländern rund 36.000 festangestellte JournalistInnen: Auf fast jeden zweiten kommt also ein PR-Spezialist.

Wie groß die Macht der PR ist, zeigt sich im Mutterland der Branche, den USA. Bezeichnet man allgemein die Medien als die „vierte Gewalt“, die die Herrschenden kontrollieren soll, spricht man in den USA schon von der „fünften Gewalt“ PR. Sie prägt die Öffentlichkeit stärker als die Massenmedien, jenseits des Atlantik gibt es bereits mehr festangestellte PR- Leute als JournalistInnen.

Schätzungen gehen von bis zu einer halben Million ÖffentlichkeitsarbeiterInnen aus, denen rund 150.000 JournalistInnen gegenüberstehen. So sollen allein beim Pentagon etwa 1.000 PR-MitarbeiterInnen beschäftigt sein – mehr Leute als das Nachrichtenpersonal der Networks ABC, CBS und NBC zusammen. Immer mehr Sender greifen auf von PR-Abteilungen vorgefertigtes Video-Material zurück, wovon die ZuschauerInnen allerdings nichts erfahren. Gründe für eine verstärkte Abhängigkeit von PR-Material sind der wachsende Aktualitätsdruck und die Komplexität gesellschaftlicher Probleme. „Die Ausdehnung von Öffentlichkeitsarbeit“ sei eine logische Folge der Tatsache, daß es immer schwieriger werde, die „Vorgänge in dieser Welt selbständig in Berichterstattung umzusetzen“, so der Medienberater René Grossenbacher.

Bereits 1987 ergab eine Studie von Barbara Baerns über die landespolitische Berichterstattung der Zeitungen in Nordrhein-Westfalen: „In den Einzelleistungen der Medien (...) zeigen sich konstant hohe Anteile von Beiträgen, die auf Öffentlichkeitsarbeit basieren.“

Mehr und mehr PR: Ohne Moos nix los

Dienste wie das geplante Angebot der dpa-Tochter machen es finanzschwachen und machtlosen Gruppen immer schwerer, überhaupt noch von den Medien registriert zu werden, da sie sich keine „Sendezeit“ kaufen können. Wenn Redaktionen mehr und mehr auf PR- Dienste bei der Quellenbeschaffung zugreifen, werden diese Gruppen faktisch nicht mehr in den Medien vorkommen. Dies führt nicht nur zu einer Reduzierung der Informationsvielfalt, sondern schränkt die Meinungsfreiheit insgesamt ein. Philippe Ressing

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