Kann die Armee Südafrika befrieden?

Der Vorsitzende des Nationalen Friedenssekretariats von Südafrika, Antonie Gildenhuys, sieht kein Ende des Tötens in den Townships / „Verhindert, daß der Funke übersprang“  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Südafrika muß nach Einschätzung von Antonie Gildenhuys, dem Vorsitzenden des „Nationalen Friedenssekretariats“ des Landes, damit leben, daß die für den 27. April 1994 geplanten, ersten demokratischen Wahlen in der südafrikanischen Geschichte nicht „völlig frei und demokratisch“ ablaufen werden. Der Grund: die politische Gewalt in den Townships, die gegenwärtig mehr Opfer denn je während der letzten drei Jahre fordert. Gildenhuys: „Es wäre falsch, den Eindruck zu erwecken, die politische Gewalt könnte völlig gestoppt oder unter Kontrolle gebracht werden. Aber es wäre ebenso falsch, sich mit den Unruhen und ihren Toten einfach abzufinden.“

Der Anwalt, der das 1991 von Regierung und Opposition gegründete „Friedenssekretariat“ seit seiner Schaffung leitet, zeigte bei einem Gespräch mit der taz trotz der Blutbäder in den Townships um Johannesburg in den letzten Wochen Zuversicht: „Wir haben zumindest verhindern können, daß der Funke von den Schwarzenvierteln im Osten von Johannesburg auf die anderen Townships übersprang.“ Ein Ring der Gewalt rund um Johannesburg sei vermieden worden.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kamen im Juli über 600 Menschen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der konservativen Zulu-Organisation Inkatha und des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ums Leben. Mitte der letzten Woche entsandte die weiße Minderheitsregierung schließlich Infanterie mit Panzerwagen in die besonders schlimm betroffenen Townships von Kathlehong und Thokoza. Dies beendete zwar die wilden Schießereien, die es in den ersten Augusttagen gegeben hatte. Dem Töten setzte es jedoch kein Ende: Am Wochenende starben weitere 24 Menschen; gestern früh fand die Polizei in Kathlehong und Thokoza die Leichen von weiteren zehn Menschen – mit „Einschüssen, Stich- und Brandwunden“, wie ein Polizeisprecher erklärte.

Angola-Söldner sollen für Ruhe sorgen

Die Soldaten, die in Kathlehong und Thokoza für Ruhe sorgen sollen, stammen überwiegend aus dem berüchtigten und offiziell aufgelösten 32. Batallion, einer Truppe von weißen angolanischen Söldnern aus dem Namibia-Krieg, die im letzten Jahr nach massiven Übergriffen aus just diesen beiden Townships abgezogen wurden. Da „die Soldaten alle portugiesisch sprechen“, so ein Vertreter der südafrikanischen Streitkräfte, würden man sie zusammenhalten.

Antonie Gildenhuys vom Friedenssekretariat bezweifelt, daß solche Einsätze die Gewaltproblematik lösen können: „Es gibt ein über Jahre gewachsenes Gefühl der Bevölkerung, abgelehnt zu werden.“ Seinem Eindruck zufolge wollten sowohl die Inkatha wie auch der ANC, daß die Sicherheitskräfte aus den Townships völlig abziehen. Gildenhuys: „Dann würden beide Seiten die Sache alleine unter sich ausmachen – mit einer Unmenge von Toten.“

Der Vorsitzende des Friedenssekretariats bezweifelt auch, daß die in der letzten Woche von ANC und Regierung vorgeschlagene parteiübergreifende „Friedenspolizei“ einen realistischen Ausweg darstellt: „Es kann nur funktionieren, wenn es genügend Polizisten dafür gibt. Es kann nur funktionieren, wenn genug Leute aus den verschiedenen politischen Lagern mitmachen – und wenn sie gut genug ausgebildet werden.“ Angesichts so vieler Vorbehalte sei bereits klar, daß der Versuch, eine solche Einheit aufzustellen, wenig Sinn mache.

Aber auch eine gemeinsame Kontrolle über die gegenwärtige Polizei würde nach Einschätzung des südafrikanischen Friedenshüters nur beschränkte Wirkung haben: „Auf der Führungsebene hat die Regierung von Präsident De Klerk schon einige Leute ausgetauscht. Das Problem sind die Polizisten vor Ort.“