NRW-Atomförderung vor Gericht

■ Grüne klagen: Verfassungsgericht soll 170 Millionen-Spritze der SPD-Landesregierung für THTR-Reaktor prüfen

Düsseldorf (taz) – Die Grünen im Düsseldorfer Landtag haben gestern eine Verfassungsklage gegen die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung und deren Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) beim Verfassungsgerichtshof in Münster eingereicht. In ihrer Klageschrift werfen die Grünen der Regierung Rau vor, für den sicheren Einschluß des stillgelegten Thorium-Hochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm-Uentrop „am Parlament vorbei und unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ insgesamt 168,8 Millionen Mark aus dem Landesetat gezahlt zu haben.

Nach Berechnungen des grünen Landtagsabgeordneten Manfred Busch hat der THTR in Hamm- Uentrop, dessen Entwicklung die SPD-Landesregierung stets gefördert hatte, bislang „zwischen sechs und sieben Milliarden Mark verschlungen“. Etwa 90 bis 95 Prozent dieser Kosten seien von der öffentlichen Hand getragen worden.

Im Herbst 1989 mußte bei der Betreibergesellschaft des THTR ein Finanzloch in Höhe von 287 Millionen Mark gestopft werden. Hierzu wurde seinerzeit ein Rahmenvertrag abgeschlossen, der die Landesregierung zur Zahlung von 121 Millionen Mark verpflichtete. Nach Darstellung der Grünen unterschrieb die Regierung Rau am 4. Februar 1992 eine Ergänzungsvereinbarung, in der sie sich verpflichtete, weitere 78,8 Millionen Mark zu zahlen, um den Konkurs der Betreibergesellschaft HKG abzuwenden. Das aber ohne Ermächtigung durch das Landesparlament, heißt es in der Klageschrift der Grünen.

Darüber hinaus sei das Parlament über den wahren Verwendungszweck einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 90 Millionen Mark für den THTR getäuscht worden, die in den Nachtragshaushalt 1992 aufgenommen worden sei. Während Finanzminister Schleußer gegenüber dem Parlament erklärt habe, daß es sich hierbei um Kosten für den Reaktor-Einschluß handele, die sich aus der Rahmenvereinbarung ergäben, sei es in Wirklichkeit um „eine neue Finanzspritze“ für den Pleite- Reaktor gegangen. Busch: „Selbst als der Geschäftsbericht der THTR-Betreibergesellschaft schon die Zahlen offenlegte, belog die Landesregierung noch den Haushaltsausschuß.“

Finanzminister Schleußer ist in der laufenden Legislaturperiode vom Verfassungsgerichtshof in Münster bereits wegen Verstöße gegen das Haushaltsrecht gerügt worden, weil er Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) außerplanmäßig fünf Millionen Mark aus dem Haushalt für eine sogenannte „Müllvermeidungskampagne“ genehmigt hatte – und das in Wahlkampfzeiten. Außerdem soll Schleußer das Parlament über einen Grundstückskauf des Landes in seinem Oberhausener Wahlkreis erst informiert haben, als der Deal mit Landesmitteln in Höhe von 20 Millionen Mark bereits über die Bühne gegangen war. Johannes Nitschmann