■ Kommentar: Alltägliche Ausreden
Klar haben wir uns dran gewöhnt. Daß Hamburgs Regierungspartei, fix wie sie ist, ihre Plakate früher aufstellt als andere. Daß eine Senatorin ihre Klientel zur Rettungsaktion für den eigenen Posten auffordert, mit den entsprechenden Antwortbriefen aber lieber nicht im trauten Heim belästigt werden will. Wahlkampf-Peanuts, die wir getrost der Opposition als Wahlkampfmunition überlassen.
Woran wir uns aber nicht gewöhnen werden, das ist die Ungeniertheit, mit der Behörden die BürgerInnen für dumm verkaufen. Oder wie soll man es bezeichnen, wenn der Senat die Frage eines Parlamentsabgeordneten, ob es sich bei den SPD-Plakaten der Marken „Versprochen und gehalten“ und „Liebe, Glück, etc.“ um Wahlwerbung handeln könne, kurzerhand verneint. Da müssen wir einer erheblichen Sinnestäuschung unterliegen.
Oder wie soll man es bezeichnen, wenn die Kulturbehörde verlautbaren läßt, die Wahlwerbeaktion der Senatorin Weiss sei deren reine „Privatsache“ und im gleichen Atemzug mitteilt, die Behördenadresse auf den Werbebriefchen diene dem Schutz der „Privatsphäre“ der Senatorin. Wohin gehören denn bitte Privatsachen?
Nicht die kleinen Wahlkampftricks sind der Grund für den mäßigen Applaus, den das Polit-Theater am 19. September bekommen wird. Es ist die Alltäglichkeit der wenig intelligenten Ausrede, der Selbstgefälligkeit, des Herumlavierens um die Wahrheit, der fehlenden Courage, zum eigenen Handeln zu stehen.
Das sind die Dinge, die das Stück so schwer erträglich macht. Nicht nur zu Wahlkampfzeiten. Uli Exner
Bericht aus Seite 18
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