UKE: Justizsenatorin greift durch

■ Sonderdezernat Medizin eingerichtet / Alte Verfahren müssen aufgerollt werden / Neuer Radiologie-Chef berufen   Von Sannah Koch und Sven-M.Veit

Der UKE-Skandal zieht immer weitere Kreise: Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit greift jetzt durch. Sie ordnete die sofortige Einrichtung eines „Sonderdezernats Medizinschadensfälle“ bei der Hamburger Staatsanwaltschaft an und verfügte die Wiederaufnahme der Ermittlungen im Fall eines Patienten, der 1990 nach einer Darmkrebsoperation in der strahlentherapeutischen Abteilung des UKE behandelt worden und wenig später gestorben war.

Eine Untersuchung durch die Pathologie im Krankenhaus Barmbek hatte ergeben, daß der Tod des Patienten Folgen dieser Therapie gewesen sei (taz berichtete). Die Staatsanwaltschaft war in den vergangenen Tagen heftig unter Beschuß geraten, weil sie die Ermittlungen 1992 eingestellt hatte. Die Senatorin erteilte dafür gestern „eine formelle Rüge“, weil sie davon nicht unterrichtet worden war. Pressestaatsanwalt Rüdiger Bagger gab gestern Versäumnisse zu: „Man hätte ein weiteres Gutachten in Auftrag geben sollen.“

Ebenso ordnete die Justizsenatorin gestern die Vorlage eines Berichtes an, in dem die Staatsanwaltschaft alle „weiteren Fälle aus dem fraglichen Komplex“, in denen Ermittlungen eingestellt wurden, aufzulisten habe. Dieser Bericht soll bis heute 16 Uhr auf ihrem Schreibtisch liegen. Zudem verlangte die Senatorin, daß das ab heute zu bildende Sonderdezernat in seine Arbeit auch alle Verfahren wegen möglichen Abrechnungsbetruges einschließt. Der suspendierte Radiologe Hübener steht auch in dieser Hinsicht unter Verdacht.

Auch das UKE selbst versucht nun endlich zu retten, was noch zu retten ist. Professor Thomas Herrmann ist der Mann, der den angeschlagenen Ruf der UKE-Radiologie wieder reparieren soll. Gestern abend ernannte der Fachbereichsrat Medizin auf Vorschlag des UKE-Direktoriums den Strahlentherapeuten von der medizinischen Akademie Dresden zum kommissarischen Nachfolger Hübeners als Leiter der Radiologie am UKE. Herrmann hatte schon vor zwei Wochen die Luft in der Strahlenanteilung geschnuppert, als er mit zwei anderen Gutachtern die aktuellen Behandlungsmethoden im UKE untersucht und für korrekt befunden hatte. Herrmann würde die Vertretung bis Februar 1994 machen, muß allerdings noch in Dresden seine Beurlaubung erwirken.

CDU, FDP und Grüne legten gestern Anträge für die Sondersitzung der Bürgerschaft am 25. August vor, in denen eine verbesserte Nachsorge, schnelle Schadensregulierung und Betriebshaftpflichtversicherungen für die MitarbeiterInnen der Hamburger Kliniken gefordert werden. Die Grünen beantragen außerdem, daß die Bürgerschaft den Senat wegen schlechter Amtsführung rügt (fehlende Umsetzung der Parlamentsbeschlüsse nach dem Untersuchungsauschuß Bernbeck) und Wissenschaftssenator Leonhard Hajen wegen schlechter Amtsführung das Mißtrauen ausspricht.

Nach Auffassung der Grünen sollte auch der ärztliche Direktor des UKE, Heinz-Peter Leichtweiß, nicht ungeschoren aus der Affäre herauskommen. Er müsse von seinen Aufgaben entbunden werden, weil er bislang nicht entscheidend zur Aufklärung des Skandals beigetragen habe. Außerdem sollten standesgerichtliche Verfahren gegen alle Ärzte geprüft werden, die von der risiokoreichen Strahlenbehandlung wußten.

Auch gestern abend beim zweiten Treffen der Strahlengeschädigten versammelten sich auf Einladung der Patienteninitiative wieder mehr als 50 Betroffene. Wichtigstes Thema: Die Schadensregulierung. Patientenanwalt Wilhelm Funke betonte, es sei wichtig, die Ansprüche auf Schadensersatz persönlich bei der Wissenschaftsbehörde anzumelden, damit keine Verjährung eintrete – bei Schmerzensgeld verjähren Ansprüche drei Jahre nach Kenntnis von Schäden, bei Verdienstausfall oder Pflegebedürftigkeit besteht eine 30jährige Verjährungsfrist.

Verstrahlungen in der UKE-Frauenklinik wurden nach Funkes Angaben bislang noch nicht in das vereinfachte Prüfungsverfahren aufgenommen. „Da ich aber auch aus diesem Bereich nur Betroffene aus dem UKE habe, jedoch keine aus dem AK St. Georg, drängt sich der Verdacht auf, daß in der Uni-Klinik vermutlich generell zu aggressiv bestrahlt wurde“, so Funke. Er zeigte sich zuversichtlich, daß daher auch diese Fälle in das vereinfachte Verfahren aufgenommen werden.