■ Neues über den V-Mann Steinmetz
: Mainz bleibt Mainz

Wer eigentlich glaubt noch an eine Aufklärung der Ereignisse vor und in Bad Kleinen? Allein schon wegen der politischen Brisanz des Vorganges wird es zwar immer weitere Enthüllungen geben; doch gleichzeitig wird immer schwerer zu entscheiden sein, ob es sich um wahre Details oder um Desinformation handelt. Da ist zum Beispiel der Mainzer Verfassungsschutz, der über Jahre einen V-Mann führte, von dessen Wirken man sich den schönsten Erfolg in der Geschichte der RAF-Fahndung versprach. Daraus wurde bekanntlich nichts, schlimmer noch, der Joker mit Tarnkappe wurde anläßlich der mißlungenen Bahnhofs-Aktion öffentlich und damit selbst zur Belastung. Denn inzwischen ist bekannt, daß V-Mann Steinmetz nicht nur Kontakt zur RAF hielt, sondern auch von ihren Aktionen, namentlich von der geplanten Sprengung des Gefängnisneubaus in Weiterstadt gewußt hat. Während die Mainzer Behörde über Jahre hinweg daran interessiert war, von ihrem Mann in der Szene möglichst umfassend informiert zu werden, geht es ihr heute darum, glaubhaft zu machen, daß man dabei leider nur mäßigen Erfolg hatte. Weiterstadt beispielsweise soll Steinmetz für sich behalten haben. Dafür stellt ihm jetzt der – seinerzeit hinters Licht geführte Dienst einen Leumund aus, der rettet, was am Ruf des dritten Mannes noch zu retten ist: Steinmetz, so ein VS-Beamter vor dem rheinland- pfälzischen Innenausschuß, habe als Idealist gehandelt, der zwischen RAF und Staat vermitteln wollte. Deshalb und weil es sein oberstes Ziel gewesen sei, Blutvergießen zu verhindern, habe er den VS über den bevorstehenden Anschlag nicht informiert. Auch Innenminister Zuber, der gerade seinem Ministerpräsidenten mit einer eidesstattlichen Erklärung zur Seite gesprungen ist, derzufolge Scharping erst nach Bad Kleinen von der Mainzer Top-Quelle erfuhr, trägt vor dem Innenausschuß zur Ehrenrettung des V-Mannes bei: Dieser habe von der geplanten Festnahmeaktion erst erfahren, als sie lief. O-Ton Verfassungsschutz: Steinmetz wurde „gelinkt“.

Ja, so könnte es gewesen sein. Irritierend nur, daß in einer Affaire, in der so ziemlich nichts, was aus den beteiligten Sicherheitsbehörden nach außen dringt, zum andern paßt, sich zumindest die rheinland-pfälzische Interessenlage aufs beste zu den jüngsten Informationen fügt. Diese handeln von Nicht-Information. Mainz wußte nichts von Weiterstadt, dafür wußte der Mainzer V-Mann nicht, wofür er einzig instrumentalisiert werden sollte: für den ultimativen Zugriff. Der V-Mann darf so an seiner Rest-Legende eines vielleicht etwas naiven, im Grunde gutwillig-idealistischen Vermittlers basteln; in Mainz trauert man zwar um die Früchte jahrelanger Geheimdienstmühen – aber alles in allem ist man noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen. Ob das Informationskarussell an diesem Punkt zum Stehen kommt, ist ungewiß. Bis dahin gilt: Mainz bleibt Mainz. Matthias Geis