■ Über Konkurrenz und Kartellisierung im Fall Bischofferode: Das Eingemachte
Worin besteht „das Eingemachte“ der deutschen Kali-Industrie? Keinesfalls in dem Rohstoff selbst, wie eine oberflächliche Analogie zur häuslichen Selbstversorgung nahelegen würde. „Das Eingemachte“, von dem der BASF-Manager Ralf Bethke zu Anfang der Woche sprach, gewissermaßen die Kaloriensubstanz, von der die Kali-Produzenten in Zeiten der Krise zehren, es sind die Kartellabmachungen, niedergelegt im Fusionsvertrag zwischen der Treuhand (für die Mitteldeutsche Kali-AG) und der BASF. Kein Außenstehender darf ans Eingemachte, vor allem nicht die Kumpel von Bischofferode. „Dann wären die Verträge ja für jedermann offen“ – die ausländischen Wettbewerber würden ihre Schlüsse ziehen, und der Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kali-Produzenten wäre schwerer Schaden zugefügt.
Jawohl, es geht um Wettbewerb, allerdings, wie der diskrete Herr von der BASF konzedierte, in seiner spezifischen Form, jener der Wettbewerbsverhinderung. Allgemein gesprochen treten wir feurig für die Durchsetzung von Markt und Konkurrenz auf dem ehemals realsozialistischen Brachland ein. Aber spezifisch müssen wir uns vor Überkapazitäten schützen. Deshalb legte die Wettbewerbsklausel in dem Fusionsvertrag auch fest, daß keine der beteiligten Seiten „Kali-Aktivitäten“ außerhalb des neuen Gemeinschaftunternehmens starten dürfte. Also keine Chance für den Verkauf und die Weiterführung von Bischofferode. Keine Chance für die Belegschaft – von Anfang an. „Durch die Trusts und durch die Kartelle hindurch“ – nicht zum Sozialismus, wie Hilferding und Lenin meinten, sondern zur EG-Kartellbehörde nach Brüssel. Wirtschaftsminister Rexrodt wußte, was er tat, als er sich weigerte, einen „Antrag auf Rücküberweisung“ des Prüfungsgesuchs an die deutschen Kartellbehörden zu stellen. In Brüssel ist man wenn möglich noch großzügiger mit Genehmigungen. Aber auch wenn das Verfahren in deutschen Händen bliebe, wäre das Ergebnis vorgezeichnet. Lange Erfahrung lehrt, daß die wackeren, liberalen Prüfer, die die Ideologie des freien Wettbewerbs tatsächlich für bare Münze nahmen, noch stets den kürzeren zogen. Was die erste Instanz erstritt, wurde von der zweiten aufgehoben.
Zugegeben, es ist öde, die Geltung eines Prinzips, das des ungehinderten Wettbewerbs, gegenüber den uneinsichtigen Verhältnissen einzufordern. Aber müssen denn gleich, um eine weitere gußeiserne Formel zu benutzen, die Verluste des künftigen Unternehmens sozialisiert werden? (Von Gewinnen beim Kali-Geschäft spricht sowieso niemand.) Die Treuhand wird zweifellos argumentieren, sie habe gegenüber dem Marktmonopolisten BASF weder hinsichtlich der Wettbewerbsklausel noch hinsichtlich der geforderten Garantie, 90 Prozent der Verluste in den nächsten drei Jahren zu übernehmen, irgendeine Chance gehabt. Friß, oder die Damen und Herren aus Ludwigshafen ziehen sich beleidigt zurück. Die Treuhand gibt öffentliche Gelder aus. Bei zwei Milliarden garantierter Mitgift hätte es möglich sein müssen, einen weniger gefräßigen Bräutigam zu finden. Christian Semler
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