Touristen in Kurdistan freigelassen

Von der PKK entführte Urlauber wurden gut behandelt / „Türkische Rache-Brigade“ verschleppte und ermordete im Gegenzug Journalisten / Täglich zwanzig Tote in Kurdistan  ■ Von Kai Horstmeier

Berlin (taz) – Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) hat am Dienstag abend die beiden letzten von sechs Urlaubern freigelassen, die sich seit mehreren Wochen in ihrer Gewalt befanden. Die vier Franzosen, die bereits Montag nacht auf freien Fuß gesetzt worden waren, der Brite und die Australierin berichteten übereinstimmend, daß sie von den Entführern korrekt behandelt worden seien. Sie hätten in keinem Augenblick um ihr Leben fürchten müssen.

„Die PKK hat wiederholt davor gewarnt, daß Touristen in die Krisenregion reisen“, sagt Mustafa Kisabacak, geschäftsführender Bundesvorstand des „Verbandes der Vereine aus Kurdistan“ (KOMKAR) in Köln. Die PKK werde wohl auch weiterhin Touristen in ihre Gewalt bringen. Kisabacak: „Wir sind dafür, daß politisch interessierte Touristen sich ein eigenes Bild von der Region machen. Nur sollte ihnen vor der Reise klar sein, daß sie ein Kriegsgebiet besuchen, in dem ein Ausnahmezustand herrscht.“

Der Europa-Korrespondent der kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem, Behcet Avsar, sieht das ähnlich. Er weist darauf hin, daß nicht zum ersten Mal eine Touristengruppe von der PKK entführt worden sei. Bereits im vergangenen Jahr seien Touristen entführt worden, denn: „Jeden Tag werden bei uns 20 Menschen ermordet – keiner nimmt das zur Kenntnis“, meint Avsar. Während über den Jugoslawien-Konflikt täglich in den Medien berichtet werde, kümmere sich nahezu niemand um den Krieg in Türkisch- Kurdistan. Deshalb greife die PKK auch zu Mitteln wie Entführungen und Attentaten in Touristen-Orten.

Özgür Gündem ist die einzige kurdische Zeitung, die trotz der Repressalien seitens der türkischen Regierung täglich erscheint. Allein innerhalb eines Jahres wurden neun Korrespondenten der Tageszeitung ermordet. „Das geht auf das Konto des türkischen Staates“, sagt Avsar.

Den jüngsten Mordfall schildert der Europa-Korrespondent so: „Am 28. Juli wurde unser Mitarbeiter in Bitlis, der 18jährige Ferhat Tepe, entführt. Sein Vater bekam am gleichen Tag einen Anruf von einem Mann, der sich als Angehöriger der ,Türkischen Rache- Brigade‘ vorstellte.“ Die Forderung: Freilassung der von der PKK entführten Touristen und Schließung aller Parteibüros der neugegründeten kurdischen Partei DEP in Kurdistan. Außerdem: eine Milliarde Türkische Lira Lösegeld für den entführten Tepe.

Der Korrespondent wurde am 8. August in Elazig, 250 Kilometer vom Ort seiner Entführung entfernt, tot aufgefunden. Ein Unbekannter habe den Vater des Toten per Telefon darauf hingewiesen, daß der Leichnam im Krankenhaus von Elazig liege. Er sei „beim Schwimmen ertrunken“. Tepes Vater habe den Anrufer als Korkmaz Tagma, Brigade-Kommandeur beim türkischen Militär, identifiziert. Tagma sei kurz nach dem Anruf beurlaubt worden, berichtet Avsar.

Die Istanbuler Korrespondentin der Tageszeitung, Aysel Malkac, wurde am siebten August entführt. „Es ist zu befürchten, daß auch sie ermordet werden könnte“, so Avsar. Seit der Entführung stehe das Istanbuler Özgür Gündem-Büro unter starker Polizeiüberwachung.

Eines ist für den Europa-Korrespondenten der kurdischen Tagesszeitung klar: „Niemand kann die Türkei als demokratisches Land bezeichnen. Das muß man wissen, um die Situation der Presse – aber auch die Entführung von Touristen – zu verstehen. Das gehört alles zusammen.“