Für Ostfirmen ist der Westmarkt tabu

■ Bischofferode wird nicht wegen Ökologie oder mangelnder Rentabilität stillgelegt, sondern aus Angst, es könnte den Westmarkt erobern / Aussagen eines DDR-Topmanagers erhärten Verdacht

Berlin (taz) – Die Kali und Salz AG verfolgt seit mindestens einem Jahrzehnt die Strategie, die Minen im östlichen Teil Deutschlands aus den westeuropäischen Märkten zu werfen. Dazu benutzte sie nach Aussagen eines führenden DDR-Kali-Managers gegenüber der taz auch überlegene Umwelttechnologie, die jetzt im Osten bewußt nicht eingesetzt werden soll.

Seit Anfang der achtziger Jahre verfügt die Kali u. Salz über ein Verfahren zur trockenen Trennung der erwünschten Kalisalze von unerwünschtem Kochsalz. Salzlaugen, die entsorgt werden müssen und die Umwelt gefährden, fallen dabei nicht mehr an.

Als die Bundesregierung drängte, die Verschmutzung von Werra (und damit der Weser) müsse verringert werden, wollte Kali u. Salz nur unter der Bedingung eine Lizenz ihres Verfahrens an die DDR vergeben, daß diese auf den Export nach Westeuropa verzichte. Mit dem neuen Verfahren erzeugte Salze sollten „den Kaliumsulfatmarkt von Kali und Salz nicht beeinflussen“, erinnert sich der damalige Generaldirektor der ostdeutschen Kali-Industrie, Heinrich Taubert. Außerdem habe man in Geheimgesprächen 20 bis 25 Millionen D-Mark „Eintrittsgebühren“ für das Ausprobieren der sogenannten ESTA-Technologie verlangt. Die Verhandlungen über eine Verringerung der Werra-Versalzung liefen seit 1974. Ihren Höhepunkt fand die Auseinandersetzung zwischen Ost und West beim Besuch des SED-Parteichefs Erich Honecker 1987 in Bonn – ohne greifbares Ergebnis. Nach der Vereinigung hat die BASF-Tochter Kali u. Salz AG die Ostkonkurrenz endgültig ausgeschaltet. Die für die Kaliumsulfatproduktion interessante Grube Merkers in Thüringen wurde geschlossen und das Werk Bischofferode, das einen Großteil der Produktion an westeuropäische Konkurrenten von Kali u. Salz liefert, soll auch schließen. Die ESTA-Technologie, die Bischofferode zur ökologisch am wenigsten bedenklichen Grube Deutschlands machen würde, wird auch künftig östlich der Werra nicht eingesetzt. ten

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10