Süßes Gesöff, falsches Etikett

■ Gepanschter Likör wird in der GUS unter dem Markennamen der BärenSiegel GmbH verkauft / Die Berliner Firma wehrt sich, ihr Exportleiter bewaffnet sich

In privaten Läden in Moskau, an Verkaufsständen in der Ukraine und auch auf Märkten in Kasachstan fanden die Flaschen mit den grellbunten Spirituosen reißenden Absatz. Doch anders als das Etikett verhieß, stammten die Mandarinen-, Kiwi- und Kirschliköre nicht aus den Abfüllanlagen der Berliner BärenSiegel GmbH. Sie wurden, so ist BärenSiegel-Exportleiter Erwin Harpain überzeugt, in Polen und in Tschechien angerührt und abgefüllt. Den Organisator des Etikettenschwindels hat der Kaufmann längst ausgemacht: eine russische Import-Export-Firma mit Sitz in der Kantstraße. Seitdem sich Harpain bei der unlauteren Konkurrenz beschwerte, ist der Kampf um den GUS-Likörmarkt eine Spur härter geworden: Der Exportchef behauptet, die Gegenseite habe ihn telefonisch bedroht.

Bunte Waren aus dem Westen sind in den Nachfolgestaaten der GUS gefragt. Statt russischen Wodkas trinken Russen heute lieber Gin, Whiskey oder eben süßen Likör in schrillen Farben – alles Westliche gilt als Statussymbol, auch wenn es schreckliche Kopfschmerzen verursacht. Die Exportkaufleute der Ostberliner BärenSiegel GmbH, einer nach der Wende privatisierten Spirituosenfabrik, hatten das rechtzeitig erkannt und für ihre Produkte auf dem riesigen Markt Abnehmer gefunden: Dreiviertel ihrer Jahresproduktion von 24 Millionen Flaschen verkauften die Likörabfüller im vergangenen Jahr in die GUS. Zwei Schichten fährt der Betrieb mit seinen 90 Mitarbeitern, die vielen Aufträge aber ließen sich nur im Drei-Schicht-Betrieb erledigen, wie Harpain, BärenSiegel-Geschäftsführer für den Export nach Osteuropa, stolz vorrechnet.

Im Februar erreichte die erste Nachricht über falsche BärenSiegel-Produkte Berlin. Bald schickten Mitarbeiter der Firma, die auch im russischen Handelsregister mit ihrem Warenzeichen eingetragen ist, die falschen Flaschen an ihre Zentrale. Zu Preisen zwischen 800 und 1.000 Rubel hatten sie die Fälschungen gekauft; original BärenSiegel-Produkte kosten in der GUS zwischen 2.000 und 3.000 Rubel. Die Aufmachung des klangvollen „Maoritraums“ (Mandarinenlikör) und des Kirschlikörs ist den Produkten aus Berlin zum Verwechseln ähnlich. Käufern auf dem Moskauer Arbat wird wohl auch kaum auffallen, daß auf dem Etikett „Berliner Baren Ziegel“ steht.

Als im Mai dieses Jahres plötzlich die Nachfrage aus der GUS stagnierte, beschlossen die Berliner Spirituosenhersteller zu handeln: Sie sahen nicht nur ihren Absatz, sondern auch ihren in wenigen Jahren aufgebauten guten Namen gefährdet. Die Mitarbeiter der von BärenSiegel beauftragten Londoner Detektei forschten in der GUS, in Polen und in Tschechien nach. In Petersburg, so meldeten die Detektive nach Berlin, habe die Lebensmittelpolizei Vergiftungen auf den Genuß der gepanschten Alkoholika mit dem BärenSiegel-Markenzeichen zurückgeführt, ein Befund, der Export- Chef Harpain wenig überrascht. Sein Urteil: „Der Alkohol ist nicht sauber, die Ingredienzen sind alle synthetisch gestrickt, das Ganze überzuckert.“

Einen Abfüllbetrieb in Polen und drei in Tschechien haben die Detektive mittlerweile als Herkunftsorte der bunten Branntwein-Verschnitte mit BärenSiegel- Etikett ermittelt. Einen polnischen Rechtsanwalt hat Harpain schon eingeschaltet, nach Prag will er demnächst persönlich fahren, um Klage einzureichen. Die Effizienz seiner juristischen Bemühungen in den beiden Staaten setzt er hoch an: „Schließlich wollen Tschechen und Polen in die EG, die sind uns wohlgesonnen.“

Noch sind die Ermittlungen der Detektive nicht abgeschlossen, da haben die Londoner schon den Organisator des Etikettenschwindels ausgemacht, und der sitzt wie der Produzent in Berlin und hat früher mit ihm auch Geschäfte gemacht. Mit dem Befund in der Tasche schreckt Harpain auch vor einer öffentlichen Beschuldigung nicht zurück: „Der Urheber ist die Berliner Firma Beromex.“

Bei der Import-Export-GmbH aus der Kantstraße, dem Standort vieler russischer Handelsfirmen, weist man Harpains Vorwurf ziemlich wortkarg zurück: „Das ist eine Lüge. Mehr sagen wir dazu nicht.“

Bei Harpains Vorwurf geht es schließlich um viel Geld. Zehn Millionen Mark Schadenersatz, so kündigte der Exportmanager an, will er von der Beromex gerichtlich eintreiben. Die Summe entspreche dem eigenen Umsatzverlust. Allein auf den Schutz der deutschen Justiz will sich Harpain aber nicht verlassen, seitdem er telefonisch bedroht worden ist: „Ich bin kein ängstlicher Mensch, aber ich habe mir in der Zwischenzeit einen Waffenschein besorgt.“ Hans Monath