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Durchs DröhnlandIn diesem kurzen, aktuellen Moment

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Bei Ethno-Pop ergibt sich gezwungenermaßen immer ein schaler touristischer Beigeschmack. Sind Regionen erst mal abgegrast, stürmt die Kundschaft einfach über die nächste Grenze, um das Bedürfnis nach wirklich Originärem zu befriedigen. Nach Reggae, diversem Afro-Pop, indischen Tablas und all dem anderen, längst Vergessenen, ist man schlußendlich nun fast am Ende der Welt angekommen. Die australischen Ureinwohner hatten es der Gemeinde angetan, wenn auch zuerst nur deren Blasinstrument Didjeridoo, das sich bei europäischen Musikern, die auf der Suche nach neuen Klängen waren, zuletzt großer Beliebtheit erfreute. Da es unter den Aborigines selbst allerdings nicht gerade eine sprudelnde Szene gab, dauerte es unverhältnismäßig lange, bis schließlich Yothu Yindi auf der Bildfläche erschienen. Und die schlugen allen Höhlenforschern ein Schnippchen, indem sie von vorneherein die Popsprache des medialen Dorfes adaptierten, um sie in ihren Kontext zu integrieren. Zuletzt betrieben sie sogar Kulturimperialismus mit umgekehrten Vorzeichen und engagierten sich den Material-Musikanten, Legenden-Bassist und Produzenten-Heros Bill Laswell, um das aktuelle Werk aufzupeppen. Trotzdem sind die Pauschaltouristen schon in den Startblöcken.

Am 13.8. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Was vor schätzungsweise einem halben Jahrzehnt Frankreich kurz erschütterte, hat kaum noch Nachhall inzwischen. Es war der „rock alternatif“, der die Franzosen und Französinnen träumen ließ, es gäbe da noch etwas zwischen der eigenen Chansontradition und dem anglo-amerikanischen Pop-Imperialismus. Doch so wie hierzulande die Neue Deutsche Welle mehr Hoffnungen weckte, als sie erfüllen konnte, ward recht schnell nichts mehr gehört von Brurier Noir, Ludwig von 88, den Washington Dead Cats, und wie sie alle hießen. Einzige Überlebende waren die Bands, die sich auf einen Folk- oder Ethno-Background stützten und damit auch größeren Erfolg hatten: Les Negresses Vertes und Mano Negra. Oder eben Forguette Mi Note, deren Instrumentierung schon einiges klarstellt: Kontrabaß, Violine, Saxophon, Gitarre, Schlagzeug und Percussion. So hat vor allem die Rhythmussektion alle Möglichkeiten, und die nutzt sie weidlich: von hyperschnellem Humbta über Hardcore-Geklopfe bis zu afrikanischem Getrommel. Daß sich der Punk, von dem die beiden Frauen und die drei Männer herkommen und der unzweifelhaft vorhanden ist, bei dem Instrumentarium irgendwie nicht so anhört, ist klar. Es ist mehr die Idee von Punk, die kontrastiert mit den lieblichen Tönen, die nur manchmal von einer harschen Gitarre unterbrochen werden. Die Stimmführung erinnert des öfteren an Chansons, aber auch noch an dies und das. Forguette Mi Note sind ein Flickenteppich aus ziemlich bunten Einzelteilen mit Farben, die sich beißen. So divergierend, daß auf der einen Seite jeder was für sich findet, jeder etwas kennt, aber auch jeder etwas Neues hört. Kollegin Wahjudi zum Beispiel hatte vor mehr als zwei Jahren ihre ganz persönliche Assoziation: „Sie machen Musik, wie der erste Rock aussah, der nicht mehr Kindermodell war: mit großen bunten Punkten auf dem weißen Leinenstoff. Wenn man sich in ihm um die eigene Achse drehte, dann hoben und senkten sich die Kreise, und man gewann eine erste (falsche) Vorstellung von Weiblichkeit: Man war einfach unglaublich Mädchen.“ Schön, wa?

Am 14.8. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Es brauchte schon eine Band wie Living Colour, um zurück ins Bewußtsein zu rücken, daß auch der Rock 'n' Roll ursprünglich keine weiße Musik ist. Das Wissen darum, daß Little Richards, Chuck Berry, Jimi Hendrix und viele andere mehr schwarz waren und sind, schien einfach verschüttet. Statt dessen mußte die ganzen, langen Siebziger lang eine Band wie Mother's Finest mit dem Exotenbonus ausgestattet herumlaufen und ihren straighten Hardrock als Funk-Metal bezeichnen lassen. Denn was außen schwarz ist, mußte innen auch mehr Rhythmus haben, besagte das Vorurteil. Die Platzhalter sind in die Jahre gekommen, der Bonus verflogen, aber immer noch denkt kaum jemand an Rock, wenn er „schwarze Musik“ sagt.

Am 15.8. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108–114, Kreuzberg

Früher brachte man Bassist und Sänger Ross Knight gar nicht erst von seiner heimatlichen Farm runter, um so etwas Schnödes wie eine Europa-Tour zu unternehmen. Inzwischen hat der Mann mit dem Traktorführerschein von den Cosmic Psychos anscheinend Blut geleckt. Schon wieder mal in der Stadt sind die australischen Zeremonienmeister des original 77er Stumpfpunkrocks, so stumpf, wie er nicht einmal damals war. Mit der Eleganz eines 50-Tonnen-Trucks wird zermalmt, was einmal ein Song gewesen sein mochte. Dabei stoisch und durch nichts zu erschüttern, wozu ist man schließlich Australier?

Am 17.8. um 21 Uhr im Huxley's Junior

Soweit ist es gekommen: Der Mann, der als letztes originales Punkrelikt wenigstens die hochgezogene Oberlippe von Sid Vicious in die Neunziger hinübergerettet hat, tritt jetzt im Vorprogramm von Sülzmetallern auf. Doch wenn wir es recht bedenken, eigentlich hat Billy Idol genau das verdient. Und so weit entfernt von Bon Jovi war er nun wirklich nie.

Am 18.8. um 19 Uhr in der Waldbühne

Während in den meisten europäischen Ländern (siehe Forguette Mi Note) immer mal nach dem ureigensten Ausdruck gesucht wird, haben sich die Skandinavier meist in ihr Schicksal ergeben und sind deshalb in der Lage, die allerbesten Kopien abzugeben, was englisches oder (noch lieber) amerikanisches Liedgut betrifft. Vor allem die Schweden taten sich da hervor, und denen hatten es wiederum vor allem die 60er Jahre angetan. Die Bands, die das Gitarrengedängel- und und -geschdingel mal sanft, mal rabiat in die Moderne überführten, sind Legion, die schon legendären Nomads waren da nur die Speerspitze. Nach zwischenzeitlicher Katerstimmung und einer zwar langerwarteten, aber enttäuschenden Comeback-LP der Nomads, tauchten jetzt Atomic Swing auf. Was diese vier unverschämt jungen Herren machen, kann man, ohne irgend jemandem zu nahe zu treten, schlicht Rockmusik nennen: Der Rhythmus ist streng 4/4, die Gitarren hören sich an, wie sich Gitarren verdammtnochmal anzuhören haben, Herr Niclas Frisk singt mit — jawohl — Inbrunst, die Songs haben Strophen, Refrains und Brücken. Alles da, alles wie gehabt und doch mindestens so neu, wie jede neue Rockplatte seit dreißig Jahren. Denn das Grundproblem war ja immer, daß das Genre nicht besonders anfällig für Innovationen war. Und der Trick, der sich logischerweise daraus ergab, war schon immer, daß man nur so tun mußte, als wäre das, was man gerade ganz speziell tut, tatsächlich neu. Und weil das Publikum nachwächst und all die Ältergewordenen so was allzugerne glauben wollen, funktioniert es hin und wieder ganz prächtig. Und weil Rock vor allem was mit Dreistigkeit zu tun hat, sind Atomic Swing in diesem kurzen, aktuellen Moment tatsächlich besser als der Rest. Und lösen so ganz im Handumdrehen auch noch das Geheimnis, warum schwedische Bands die besten Kopisten des Kontinents sind: „Unser Geheimnis liegt in dem Glauben begründet, daß wir die Rockmusik neu erfunden haben.“

Am 19.8. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler

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