■ Press-Schlag: Harmonia Mundi oder Wasserschlag?
Freitag, der Dreizehnte: Die Welt zeigt sich als harmonisches Ganzes. „Harmonia mundi“, so lautet das Motto der WM-Eröffnungsfeier, die 4,1 Millionen Mark kostet, die niemand zu zahlen gewillt ist, denn sie tauchen in keinem Etat auf.
Freitag, der 13., 19 Uhr: Im ehemaligen Stuttgarter Neckarstadion (53.000 Plätze), das mittlerweile die unappetitliche Bezeichnung Gottlieb-Daimler-Stadion trägt, verlieren sich mutmaßlich nicht mehr als 14.000 zahlende Zuschauerinnen und Zuschauer neben dem Bundespräsidenten und einigen anderen gekrönten und ungekrönten Oberhäuptern, was die Veranstalter bereits als „Erfolg“ werten, nachdem das große völkerverbindende Konzert ein Reinfall zu werden drohte: Keine Zuschauer im für 54 Millionen Mark neu renovierten Stadion, keine Fernsehübertragung.
Die ARD ist kurzfristig doch noch eingesprungen. Keiner muß mehr schwarzsehen am Freitag, den 13. um 19.30 Uhr: Fünf Fallschirmspringer schweben hernieder, Johnny Logan schmettert den offiziellen WM-Song ins Mikro: „Celebrate and win“. Auf den Bildschirmen werden die Ränge gut gefüllt aussehen, werden sie doch mit 10.000 freiwilligen Helfern besetzt sein. „Harmonia mundi“.
Rückblende: Der Regen zerstörte die Weltordnung. Zweimal: Bei der sportlichen Generalprobe ergossen sich Sturzbäche vom neuen Dach, bei dem die Herren Konstruktoren wohl schlicht einige Abflußrinnen vergessen hatten, über die neue Recortan-Bahn. Biblische Sintflut: Die Wettbewerbe fielen ins Wasser. Von der Arche Noah keine Spur. Und beim ersten Testlauf des Einmarsches der Nationen geriet die Welt zum Chaos, weil sich die Statisten als nicht wasserfest erwiesen. „Harmonia mundi“.
Der Komponist: Eberhard Schoener (55), Multi-Media- Künstler. Seine Welt-Harmonie ist ein gigantisches Spektakel mit einem enormen Aufwand an Elektronik und einem gewaltigen Einsatz an Prominenz. Was diese Welt in ihrem Innersten zusammenhält, sind Satelliten, welche die Musiker im Stadion – unter anderem Alt- Rock'n'Roller Chuck Berry, der kurzfristig für Liza Minelli einsprang – mit der Außenwelt verbinden und Live-Schaltungen zu Bands in Kairo, Salvador de Bahia, Bali und Sydney ermöglichen.
21.43 Uhr: Dieter Baumann, der verletzte Olympiasieger über 5.000 Meter, grüßt die Sportler der Welt. 21.45 Uhr: Die Berliner Philharmoniker und Irlands Schmalzrocker Chris de Burgh spielen zum Abgesang auf. 22 Uhr: Einige hundert Brieftauben mit zwei Gramm schweren Pfeifchen um den Hals flattern in die Lüfte und sollen dabei sphärische Klänge erzeugen. „Harmonia mundi“? Was aber, wenn nun Freitag, der 13., der Tag wird, als der Regen kam? Cornelia Heim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen