Eindruck einer Märchenstunde

■ betr.: "Tödlicher Erfolgsdruck", taz vom 9.8.93, "Die Kinkel-Initiative und das Desaster von Bad Kleinen", taz vom 3.8.93

betr.: „Tödlicher Erfolgsdruck“, taz vom 9.8.93

Es fällt auf, daß die Kooperation zwischen den Staatsschutzinstitutionen und deren Exekutivorganen offensichtlich nicht funktioniert (Verwechslung des V-Mann, katastrophale Kommunikation). Indizien dafür, daß sich die Sicherheitsbehörden von ihren Exekutivorganen (GSG 9, SEK) abgelöst haben und sich die daraus resultierenden Kommunikationspannen erklären lassen. Nicht der Erfolgsdruck für die Behörden ist Ursache für diese Pannen, sondern deren Machtstreben. Solange keine Transparenz innerhalb und außerhalb dieser Behörden existiert, wird der Bürger den Eindruck einer Märchenstunde haben. Eric Moosbach, Köln

betr.: „Die Kinkel-Initiative und das Desaster von Bad Kleinen“, taz vom 3.8.93

Fast acht Wochen nach der „Festnahmeaktion“ von Bad Kleinen sind Presse und Öffentlichkeit nach all den Lügen, Verdrehungen und Manipulationen bereit – entgegen allen bekanntgewordenen Fakten und ZeugInnenaussagen – davon auszugehen, daß Wolfgang Grams Selbstmord beging, oder sich aus „Versehen“ selbst erschoß. Auch die taz beschränkt sich darauf, aus Spiegel, VS-Berichten und „Untersuchungsprotokollen“ zu zitieren, ohne darauf hinzuweisen, wer hier, mit welchem Interesse, was untersucht. Da genau das aber der Knackpunkt aller „Untersuchungen“ ist, will ich hier noch einmal auf einige Beispiele aus jüngerer deutscher Vergangenheit hinweisen, auch wenn Antje Vollmer dabei wieder einen „schalen Geschmack im Mund“ bekommt.

1971 wurde Georg von Rauch mit erhobenen Händen an der Hauswand stehend, aus zwei Metern Entfernung von einem Zivilbeamten in den Kopf geschossen und ermordet, obwohl er vorher schon ohne Erfolg nach Waffen durchsucht worden war. [...]

1978 wurde Willy Peter Stoll in einem Chinarestaurant mit mindestens vier Kugeln beim Essen erschossen, ohne daß auch nur versucht wurde, ihn festzunehmen. Außer diesen Beispielen gibt es noch eine Reihe anderer Todesfälle bei denen deutlich wird, daß es die Killfahndung in der BRD gibt und daß von staatlicher Seite alles getan wird, um auch die späteren Toten von Stammheim (Baader, Meinhof, Ensslin, Raspe) und Stadelheim (Schubert) entgegen den Fakten als SelbstmörderInnen darzustellen (Lesetip: „Stammheim“ von P. Bakker Shut)

Bei dieser Vorgeschichte und dem bisherigen Verlauf der „Ermittlungen“ kann davon ausgegangen werden, daß bald gegen alle strafrechtlich ermittelt wird, die von einer Hinrichtung Wolfgang Grams' sprechen. Trotz ZeugInnenaussagen, trotz aufgesetztem Kopfschuß, trotz aufgesetztem Bauchschuß (wo hat er nur die zweite Knarre für den Bauchschuß versteckt?) und obwohl mal wieder ausgerechnet die fünf Minuten Videofilm fehlen, auf denen Mensch was sehen könnte (warum nur?) und und... All das erwähnt auch Ihr einfach nicht mehr.

Desweiteren hat sich bei Euch mittlerweile durchgesetzt, daß Wolfgang Grams den GSG 9-Beamten Newrzella erschossen hat (A. Vollmer), obwohl der von vier (!) Kugeln teilweise verheerende Verletzungen hatte. Hier akzeptiert Ihr ohne Fragezeichen die von Anfang an ausgegebene Version, die tödliche Kugel stamme von Grams, obwohl mittlerweile alles andere mindestens fünfmal umgeändert, revidiert, zurechtgebogen und je nach Wetterlage wieder neu erlogen wurde.

Da fällt es dann auch kaum noch ins Gewicht, daß jetzt mit Hilfe von Klaus Steinmetz wohl mal wieder das Märchen von der „legalen RAF“ wiederbelebt wird, und damit die Vorbereitung für Verhaftungen von Menschen, die hier legal lebend für eine andere Gesellschaft kämpfen, auf Hochtouren läuft, ohne daß Ihr dies mal erwähnt. Fragt Euch mal, was es heißt, wenn jetzt überall lanciert wird, der legal lebende Steinmetz hätte irgendwie an Weiterstadt mitgebastelt, und ihm dann auch gleich dazu noch die Kronzeugenregelung angeboten wird.

A. Vollmer hat Recht mit ihrem Fazit, daß ein „gewaltfreies, politisches Ende des Terrorismus seit 89 möglich war“ und an den verantwortlichen Stellen gescheitert ist, an denen jetzt gerade ein paar Köpfe ausgetauscht wurden. Meiner Meinung nach kann solch eine politische Lösung jedoch nicht bedeuten, daß alles, was das Bild der gut funktionierenden Demokratie in Frage stellt, vertuscht und verschwiegen wird. Es gibt hier noch viele offene Fragen und wahrscheinlich noch viele Leichen im Keller. Diese Fragen zu stellen, wäre auch Eure Aufgabe, anstatt sich mit den offiziellen Antworten zu begnügen, die doch keineR mehr glauben kann. Ralf Dreis, z.Z. Hamburg