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Zwischen den RillenDampf durch Dämpfung

■ Keine Töne vergeuden: Duo-Jazz mit Keshavan Maslak und Paul Bley

Von einem der auszog, Neger zu werden – und einstweilen seinen Frieden fand. Die Rede ist von Keshavan Maslak, der Dampfwalze auf der New Yorker Downtown-Szene Anfang der Achtziger. Aufgewachsen in Detroit, Ukrainian Community, zweite Generation. Seine Großmutter sprach keine zehn Worte Englisch, als sie starb, nach 40 Jahren Detroit. Bauern aus der Ukraine, dickköpfig, stolz und im Glauben, die amerikanischen Bürgersteige wären mit Gold gepflastert.

Maslak wächst heran. Großvater kauft ihm ein ausgedientes Altsaxophon. Keshavan ist sieben, lernt und verdient sein Geld in Polka-Bands. In der High- School dann die schwarzen Peers, hören Motown und Coltrane, tun cool und sind stolz auf sich selbst. Will Maslak auch sein, wie er später seinem Chronisten Francis Davis verrät, schwarz, und so spielen wie Coltrane „Blue Trane“, bluesig, mollig, auch östlich irgendwie.

Es folgen: die North Texas State University und Blues jammen in Dallas after hours, Temptations und Supremes, Yoga und Blumendröhnung in San Francisco, Philip Glass und Laurie Anderson in SoHo. Ornette Coleman rät Maslak, in New York zu bleiben, und Sam Rivers läßt ihn gelegentlich in seinem Rivbea Studio blasen. Damals war Maslak frustriert. Sechs Jahre New York, sechs Jahre schlecht bezahlte Tagesjobs, Apartments streichen, Taxifahren, Bei der Village Voice Post sortieren. Und die Schwarzen machen dicht. Black Avantgarde Jazz ohne Maslak.

Also Reisen. Maslak in Polen, „ein Star wie Mick Jagger“, erinnert er sich. Maslak in Holland, Misha Mengelberg spielt Gitarre, Ray Anderson posaunt. Maslak in Australien. Dann kehrt Maslak, der Amerikaner, heim. Der Bart ist ab und die langen Haare auch, Mutter freut sich.

Maslak hört Brian Eno, Talking Heads und gründet Loved By Millions – electronic Rock'n'Roll. Aber Ornette Coleman war prime time, und die Millionen bleiben aus. Maslak programmiert den Drum-Sampler und spielt mit sich selbst.

Schließlich in Hollywood, Florida. Keshavan Maslak leitet das Sushi Blues Café und die Hausband. Keiner kann ihn mehr entlassen.

Und welche Musik gibt das? „Ich höre Trommeln“, sagt Maslak. Bley, der Rhythmiker – da haben sich zwei gefunden! – hat eine Hand auf den Tasten, die andere auf den Saiten. Dampf durch Dämpfung. I Must try... Die Kunst der Pause.

Trying hard to be: Paul Bley spielt kurz, Maslak hält lang dagegen. Maslak hackt weg, kaum noch Töne, Bley wiederholt sich rasend auf den tiefen, greift in die Saiten und dämpft, legt zu – Stille. Keine Noten, keine Worte zuvor, keine Proben, alles Musik des Moments, Improvisation. Bleys Motto: stell den Recorder an, vergeude nicht die Ideen, zerstöre nicht die Kommunikation durch Wiederholung, durch Festlegung, durch Technik. Hör zu! Maslak und Bley kennen sich fast zwanzig Jahre und spielten nie zusammen, heißt es. „Not to be a star“ ist der programmatische Titel ihrer jetzt auf Black Saint veröffentlichten Duo-CD, eingespielt in Mailand, Oktober 1992. Trying to be – Bley fetzt und zerrt, a human being –, Maslaks Alto singt, weint, schreit, schweigt, die Melodie zerbricht, fast.

„Trying hard to be human“ heißt Maslaks Vers, den er gänzlich überflüssig zum Schluß rezitiert, ein Vers, den Bley nicht hören, nicht lesen wollte vorher. Bley improvisiert. Will man eine Klarinette zum Schreien bringen, darf man nicht aggressiv sein, räsoniert Maslak. Will man mit Bley im Duett spielen, braucht es manchmal nur eine Note. Und das Handwerk und die Erfahrung und das Aufeinanderhören und die Stille.

Duo-Produktionen sind billig. Wäre dem nicht so, würde es diese wohl kaum geben. So zufällig entsteht große Musik, fast nebenbei und ganz kleinlaut. Christian Broecking

Keshavan Maslak with Paul Bley: „Not to be a star“ (Black Saint 120149-2)

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