■ Mit dem zweiten Arbeitsmarkt auf du und du: Hoffnungslos
Berlin (taz) – Die Fronten sind unübersichtlich. Arbeitgeberpräsident Murmann steht dem zweiten Arbeitsmarkt eher freundlich gegenüber. Wirtschaftsminister Rexrodt dagegen lehnt ihn als künstlichen Arbeitsmarkt ab. Der Gewerkschaftsbündler Mahlberg ist stark dafür und muß sich deshalb von der IG-Medien rüffeln lassen, er sei auf abschüssige Wege geraten. Das Durcheinander kommt daher, daß jeder etwas anderes unter dem zweiten Arbeitsmarkt versteht.
Manche Arbeitgeber hoffen auf einen Billiglohnmarkt außerhalb der Tarifvereinbarungen, was die harsche Ablehnung einiger Gewerkschafter erklärt. Andere Arbeitnehmervertreter wollen einen Schritt in Richtung gesellschaftliche Beschäftigungsgarantie erkennen. So sieht es auch Rexrodt, und der hält so was für einen Sündenfall wider die Marktwirtschaft. Für andere Politiker sind staatliche Beschäftigungsprogramme die letzte Chance, die alamierenden Monatsberichte über die Arbeitslosenzahlen etwas netter aussehen zu lassen. Sonst, schätzt das Prognos-Institut, gibt es bis zum Jahr 2000 rund 6 Millionen Arbeitslose in Deutschland.
Die Grundidee dabei: Statt die ausufernde Arbeitslosigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finanzieren, soll der Staat lieber Arbeitsplätze auf dem zweiten Arbeitsmarkt bezuschussen. Das tut er auch: Die Bundesanstalt für Arbeit gibt rund die Hälfte ihres 120 Milliarden-Mark-Etats für Lohnzuschüsse, ABM-Stellen oder Umschulung aus. In Ostdeutschland sind grob geschätzt 30 Prozent der Beschäftigten auf dem zweiten Arbeitsmarkt unter Vertrag.
Bisher wurden die Maßnahmen aber nur als vorübergehend gesehen; sie sollten die Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt ermöglichen. Doch mittlerweile ist nicht zu übersehen, daß im ersten Arbeitsmarkt auch bei schönem Wetter nicht mehr alle Arbeitskräfte einen Job finden. Jetzt geht es um die Frage, ob der Staat Arbeitsplätze auch dann bezuschussen soll, wenn wenig Aussicht auf einen normalen Arbeitsplatz besteht.
Die Einwände sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Subventionierte Billigarbeit kann regulär bezahlte Arbeitskräfte verdrängen. In den Pflegeberufen etwa gibt es einen Trend, vollbezahltes Personal zu feuern und zum ABM-Tarif wieder einzustellen. Auch die Abgrenzung bei Lohnzuschüssen ist schwer: Wer kann sagen, ob ein Schreinermeister, der einen Langzeitarbeitslosen mit Lohnzuschuß einstellt, den Arbeitsplatz nicht auch ohne Zuschuß eingerichtet hätte. Alois Berger
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