Reaktor mit Verschleißerscheinungen

■ Bei Schwedens ältestem AKW werden immer neue Fehler entdeckt / Sinn von Nachbesserungen ist zweifelhaft

Stockholm (taz) – Der vor einem Jahr wegen Mängeln am Kühlsystem abgeschaltete Atomreaktor Oskarshamn 1 wird für mindestens ein weiteres Jahr stillstehen. Bei Schwedens ältestem Reaktor, der 1972 in Betrieb ging, wurden so viele Verschleißschäden entdeckt, daß man bei der schwedischen Kernkraftinspektion SKI mittlerweile sogar an eine vollständige Stillegung denkt.

Oskarshamn 1 war im September letzten Jahres stillgelegt worden – aber zunächst nicht, weil dort Mängel entdeckt worden wären, sondern nur weil der Reaktor von gleicher Bauart ist wie das AKW Barsebäck, bei dem es einen schwerwiegenden Zwischenfall gegeben hatte: Die Pumpen des Kühlsystems waren verstopft. Entgegen der ursprünglichen Planungen wurde Oskarshamn im Juni aber nicht wieder angefahren. Als während der Abschaltung des Reaktors genauere Kontrollen möglich waren, wurden ständig neue Schäden gefunden. Sogar durchgehende Risse wurden in den sechs Steigleitungen im Reaktortank selbst entdeckt. Das Platzen einer solchen Leitung wäre nach Auffassung der AKW-Leitung allerdings „kein schwerwiegendes Sicherheitsproblem“, da es sich um ein geschlossenes System handele. Die Reaktorschäden nach so einem Zwischenfall wären aber möglicherweise irreparabel und der Austritt großer Mengen radioaktiven Dampfes wäre unvermeidlich.

Der jetzt geplante Austausch der Steigleitungen mitten im stark verstrahlten Reaktorinneren ist eine Reparatur, die in Schweden noch bei keinem AKW durchgeführt wurde. Es sollen zunächst umfassende Analysen durch den Reaktorkonstrukteur ABB-Atom vorgenommen werden, die auf etwa 20 Millionen DM veranschlagt werden. Ob eine so durchgreifende, für das Personal strahlenintensive und sündhaft teure Reparatur ökonomisch sinnvoll ist oder nicht – ABB-Atom und die Betriebsleitung zeigen sich davon überzeugt. Das AKW sei für eine Betriebsdauer von 40 Jahren ausgelegt, es habe aber „erst“ 21 Jahre auf dem Buckel. Zahlreiche Experten bezweifeln vehement den Sinn der Nachbesserungen. Unter anderem der frühere Chef der Kernkraftinspektion Lars Nordström: „Wenn ich noch etwas zu sagen hätte, würde das AKW für immer stillgelegt.“ Nicht nur in Schweden habe sich gezeigt, daß vor allem Verschleißschäden durch Rißbildungen ein wesentlich größeres Problem seien, als von allen Konstrukteuren vorhergesehen. Reinhard Wolff