Ein Herz für Arbeiter?

■ Klaus Wedemeier - Dichtung und Wahrheit sozialdemokratischer Landespolitik

“Ich lasse nicht zu, daß die Hütte geschlossen wird“, donnerte der Bremer Bürgemeister Klaus Wedemeier am Mittwoch den Delegierten des Landesparteitages zu und erntete dafür ebenso donnernden Applaus. Wedemeier hat sein Herz für Arbeitnehmer entdeckt. „Armut und Arbeitslosigkeit, Rezession und Staatsverschuldung — da muß eine Partei sich schon überlegen, für wen sie Partei ergreift.“

Bei soviel Solidarität mit denen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, kam die kleine Klöckner-Demonstration für den Erhalt der Hütte vor dem Casino der Stadtwerke gerade Recht. Wedemeier münzte sie sofort in politisches Kleingeld um. „Zu wem kommen sie, wenn ihnen keiner mehr hilft? Zu uns, zur SPD.“ Da wurden bei eingefleischten Sozialdemokraten schon die Taschentücher unauffällig an den Augenrand geführt.

Und wären die Klöckneraner nicht gekommen (Wedemeier: „Die waren nicht eingeladen.“), wäre da immer noch der Betriebsrat der krisengeschüttelten Schichau-Sebeck-Werft in Bremerhaven gewesen. Der mahnte die Genossen: „Ich weiß, wie geredet wird in der Belegschaft, wenn die Aufträge jetzt in den Osten gehen. Daraus saugen die rechten Rattenfänger ihren Honig.“ Und eine Grußadresse vom Betriebsrat von Atlas Elektronik. „Im Sinne der Belegschaft fordere ich Euch auf, die Schwächung der Bürgermeisterposition nicht weiter zu betreiben“, hieß es da. Alle wollen Wedemeier.

Das zog bei den Delegierten. Wedemeiers Erfolg, die Bestätigung für ihn als Bürgermeister bis 1995, verdankt er im wensentlichen seinem zur Schau gestellten Herz für Arbeitnehmer. Warum eigentlich? Niemand kam dagegen auf die Idee, zu fragen: Kann Wedemeier die Hütte wirklich retten? Und stimmt es denn, daß die Bremer SPD ihr Herz für den kleinen Mann entdeckt? Hat nicht erst am Donnerstag die Sozialdeputation rückwirkend zum 1. Juli die Sozialhilfe erhöht, und zwar nur um ein Prozent, statt der möglichen zwei, die erst am 1. Januar 1994 voll gezahlt werden sollen? Und die Kindergarten-Gebühren sind erhöht worden, das Stammkräfteprogramm der Arbeitssenatorin läuft aus, die Bürgerhäuser und Jugendfreizeitheime werden kleingespart....

Auf der Senatsklausur Anfang letzter Woche sollte das große Sparen beschlossen werden. Wedemeier steht da mit seiner Senatskanzlei in der ersten Reihe. Beschlossen und verkündet wurden aber nur — unmittelbar vor dem Parteitag — die kleinen Geldbächlein, die da in Zukunft aus dem Schwerpunkt-Programm fließen sollen. Die harten Sparvorschläge werden wieder hinter verschlossenen Türen ausbaldowert — zum Wohle des kleinen Mannes, selbstverständlich. mad