ABM-Projekt züchtet Elefantengras im Glas

■ Eine Pflanze, die Böden rekultivieren, als Baustoff verwendet und als erneuerbare Energiequelle dienen kann, verhilft einem ABM-Projekt zur Selbständigkeit

In sterilen Gläsern auf durchsichtiger, geleeartiger Nährlösung treibt ein winziges schwarzes Pflanzenstück grüne Blättchen aus. Miscanthus sinensis giganteus heißt das zarte Gewächs, besser bekannt unter den Namen Elefantengras oder Chinaschilf. Wenn es erst ins Freie darf, wächst es innerhalb von drei Jahren zu drei bis vier Meter hohen Stauden auf. Die von dem Ostberliner AMB-Projekt In- vitro-tec unter keimfreien Bedingungen und in klimatisierten Räumen gezüchtete und vermehrte Pflanze stammt eigentlich aus Ostasien. In Deutschland zunächst als Zierpflanze eingeführt, schmückt sie so manchen Vorgarten.

Dann aber begann man, die vielfältige Verwertbarkeit des papyrusähnlichen Gewächses zu entdecken. Miscanthus gehört nicht nur zu den C4-Pflanzen, die weniger CO2 als Sauerstoff an ihre Umwelt abgeben. Es wächst auch auf schwermetall- und stickstoffkontaminierten Böden, auf Rieselfeldern, Halden oder alten Industriegrundstücken. Denen entzieht es einerseits Stickstoff und Schwermetalle, andererseits verhindert es die Bodenerosion und schafft durch den Blattabwurf im Herbst eine neue Humusschicht. Die Stengel wiederum können nicht nur als erneuerbare Energiequelle genutzt werden, indem sie etwa zu Briketts gepreßt werden. Sie sind auch als Bau- und Isolierstoffe verwendbar und könnten sowohl den Fromaldehydkleber im Sperrholz als auch die Steinwolle beim Isolieren sowie Zellulose ersetzen. Noch ist das Elefantengras allerdings in diesen Breitengraden nicht winterfest.

Vermehrung ist hier nur im Glas möglich

„Als die Privatisierung des VEB Gartenbau scheiterte, standen wir vor der Alternative, ab Januar 1992 arbeitslos zu sein oder selbst etwas anzufangen“, sagt Inge Baier, Geschäftsführerin von In-vitro- tec. Umweltschutz lag den beiden Leiterinnen des VEB-Labors dabei ebenso am Herzen wie die Möglichkeit, sich mit dem neuen Projekt auch finanziell über Wasser zu halten – und so stießen sie auf den Miscanthus. Das Labor hatte sich zu DDR-Zeiten mit der In-vitro-Vermehrung von Gerbera, Orchideen, Usambara-Veilchen und anderen Zierpflanzen beschäftigt. Die Vorteile der Vermehrung im Glas liegen vor allem in der relativ schnellen und bedarfsgerechten Produktion großer Pflanzenmengen sowie in der genetischen Einheitlichkeit und der Gesundheit der Jungpflanzen. Da der Miscanthus hierzulande nicht ausreifen und damit auch keine Samen produzieren kann, ist seine Vermehrung nur auf diese Weise möglich.

Nach einer gescheiterten Kooperation mit einem Unternehmen in Niedersachsen arbeitet das Projekt jetzt mit dem brandenburgischen Institut für Agroindustrielle Forschung zusammen. Auf mehreren Versuchsfeldern stehen die Gewächse aus Berlin bereits, zum Beispiel in Großbeeren. Während sich das Labor mit der Vermehrung und Abhärtung der Jungpflanzen beschäftigt, forschen die Brandenburger über die Verwendungsmöglichkeiten. „Wir planen auch Maßnahmen mit Miscanthus zur Flächenstillegung und Strukturerhaltung im ländlichen Raum“, sagt Geschäftsführer Hans-Dieter Susen.

In-vitro-tec hat sich mittlerweile schon neuen Projekten zugewandt: Schilf für Pflanzenkläranlagen, Seesanierung und Uferbefestigung wird ebenso erforscht und vermehrt wie Pflanzen für die Begrünung von Extremstandorten wie Dachgärten oder Gleisbetten. Auch an biologischer Schädlingsbekämpfung wird gearbeitet.

Betrieb hat gute Chancen, sich zu behaupten

Die ABM-Stellen der derzeit 52 MitarbeiterInnen, fast ausschließlich Frauen, laufen im November aus. Danach gilt In-vitro-tec aus Sicht der Arbeitsverwaltung als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf eine Förderung als Arbeitsförderbetrieb. Doch der Betrieb erwirtschaftet jetzt schon einen guten Teil seines Bedarfs, obwohl er als gemeinnütziger Verein bisher nur zum Selbstkostenpreis verkaufen darf. „Er soll daher direkt in die Selbständigkeit geführt werden“, sagt Marianne Winter, Geschäftsführerin der zuständigen Servicegesellschaft „Zukunft im Zentrum“. Mit einer speziellen Existenzgründungsförderung habe der Betrieb gute Chancen, sich zu behaupten. Allerdings sei auf Dauer nur eine MitarbeiterInnenzahl zwischen zehn und 15 realistisch, unter Einsatz von zusätzlichen Saisonkräften. Corinna Raupach