Im Schulterschluß mit Jesus

■ Retrospektive mit alten und zum Teil frisch ausgegrabenen Dennis-Hopper-Filmen im Checkpoint Kino

Wenn man diesem Mann ein Zimmer vermieten müßte, dann in Pasadena, Kalifornien, und Walt Whitman sollte das Nebenzimmer haben. Fast dreißig Jahre schon trägt Dennis Hopper den Spitznamen Captain America; er wird geliebt, weil er, wie Whitman, das Lied vom anderen Amerika sang, von den Graswurzeln und vom richtigen Bier („Heinecken? Fuck that shit! Pabst Blue Ribbon!“).

Als wir Horst Buchholz hatten, und die Franzosen Jean-Paul Belmondo, fuhren die Amerikaner gleich ein ganzes Arsenal von schönen Halbstarken auf, und dieser Farmboy aus Kansas war dabei. Während Montgomery Clift, einer der ersten selbstgeouteten Schwulen der Branche, den Verachteten Homme blessé gab und Brando an der Waterfront kämpfte, lungerten James Dean und sein Freund Dennis Hopper als biker vor den Coffee Shops herum. Auf chromblitzenden Motorrädern rasten sie, schön und wütend (worauf genau, wußten sie wirklich nicht) durch die Vorstädte, spiegelten sich in den Juke Boxen, im Schulterschluß mit Jesus und Billy the Kid.

Wer's überlebt hatte, wurde Hippie. Hopper, der am „Actors Studio“ in New York eine solide Schauspielausbildung erworben hatte, wurde zunächst in Hollywood von Hathaway bei den Dreharbeiten zu „From Hell to Texas“ so fertiggemacht, daß er sich einstweilen aufs Fotografieren verlegte. Einige der beeindruckendsten Fotos von Warhol, Tina Turner, Allen Ginsberg oder John Wayne stammen von ihm. Auf die Art ist er einer der unprätentiösesten Künstler geworden, die diese Szene hervorgebracht hat; auch das kleinste Pariser Tageblatt bekam sein Interview, als er unlängst allerhand Objekte dort ausstellte.

Hierzulande liebte man ihn zunächst für „Easy Rider“, das flowerige LSD-Road-Movie, das zu unzähligen wilden Camps am Wannsee führte, zum inflationären Gebrauch des Wortes „man“ (wie in „man, ich glaube nicht man, aber probier's doch mal aus, man“) und zur Veränderung der Garderobe und zu gewissen Verwirrungen, welche Konsequenzen aus dem Tod der beiden Biker zu ziehen seien. Stars and Stripes, auf Hoppers Helm, hieß für uns nicht Vietnam, sondern Gras und „I was not born to follow“. Oh je. Wer sich an die Höhlenszene erinnert, in der Hopper so sinister blinzelt, weiß, daß damals der schleichende Wahnsinn begann, den er so fulminant als Frank in „Blue Velvet“ demonstrierte. Aber er konnte nichts mehr falsch machen: Als „Amerikanischer Freund“ in Wim Wenders' gleichnamigem Portrait (1977) ist er der einzige, der den todkranken Deutschen Bruno Ganz noch vor seiner Kaltmamsell Angela Winkler retten kann. Noch als psychopathischster aller Killer ist dieser verrunzelte Hopper Klassen besser als seine glattgebügelten Nachfolger von Sean Penn über Matt Dillon über Mickey (kotz) Rourke. Da ist es nur folgerichtig, daß Hopper in Coppolas allenthalben unterschätztem „Rumble Fish“ (1983) den versoffenen Vater von Rourkes und Dillons Figuren gibt.

Hopper ist auch der Fotograf, der in „Apocalypse Now“ (1979) noch immer wild in der Gegend herumknipst, als schon der Großteil seiner Truppe zu Schrumpfköpfen geworden ist.

Viele hatten das Gefühl, mit dem Frank in David Lynchs „Blue Velvet“ (1986), dem entfesselten Lumberton-Alptraum mit der Sauerstoffmaske, habe er eine Linie überschritten; denn der Rückzug zu Billy the Kid, der tötet, weil er von den Spießern gehetzt wird, war hier eindeutig abgeschnitten. Niemand anders als Hopper kann funktionieren wie eine Comic-Figur und trotzdem subtil bleiben; sein Frank ist inzwischen Teil der Mitternachts-Kultfilm-Gemeinde, steht ebenbürtig neben Freddy Kruger aus „Friday, the 13th“.

Das Checkpoint hat aparterweise auch Filme zusammengestellt, die kaum bekannt sind, und die vor allem für Fans des unfreiwilligen Trash infrage kommen. In „Die Wölfe von Los Angeles“ wird Hopper als Gegenfigur zu einem Normalo aufgebaut, der beobachtet hat, wie er einen Mann auf offener Kleinstadtstraße erstochen hat. Ein Schwarzer, der „Blacky“ genannt wird, und ein bad, bad girl geben ein hübsches, noch sehr nach den Fifties riechendes Arrangement. „Flashback“ ist die um 20 Jahre verspätete Antwort auf „The Trip“: Ein schillerndes Miststück von einem Film, der sich um das Phänomen dreht, daß LSD-Trips unvermittelt wiederkommen, gerade wenn du es am wenigsten erwartest. Purple Haze, Blowin' my Mind und so weiter, von Hendrix bis Airplane.

Möge Dennis Hopper noch viele Metarmorphosen veranstalten. Mariam Niroumand

Dennis Hopper Retrospektive, noch bis zum Ende des Monats im Checkpoint, Leipziger Straße 55, 2082995