Basketball, HipHop und Kommerz

■ Streetball ist nichts anderes als vereinfachtes Basketball / Image ist alles: Alle wollen etwas vom positiven Ruf abbekommen / Ab heute Massenveranstaltung zum Nulltarif

Es soll eine Massenveranstaltung werden, das Streetball-Turnier, das heute auf dem Parkplatz vor dem Olympiastadion beginnt: auf 60 Plätzen werden 760 Teams mit insgesamt über 3.000 Teilnehmern aus 64 Nationen in den verschiedenen Leistungsklassen um den Sieg ringen. Und über 40.000 Zuschauer werden nach den Erwartungen der Organisatoren der Firma adidas das Spektakel begutachten, schließlich ist's umsonst. Außerdem, so läßt uns adidas- Streetball-Pressesprecher Jan Runau wissen, ist Streetball der große Hit für Kids in diesem Sommer. Dabei ist Streetball eigentlich nichts anderes als eine vereinfachte Form von Basketball: Gespielt wird drei gegen drei, auf einen Korb. Schiedsrichter gibt es nicht, Fouls müssen selbst angezeigt werden, und zwar in der Regel vom Foulenden selbst. Dazu kommen dann noch einige Regeln zu Dribbeln, Abgabe und Ballbesitzwechsel. Jeder erfolgreiche Korbwurf zählt einen, Distanzwürfe zwei Punkte. Die Mannschaft, die zuerst 16 Punkte erreicht oder nach 20 Minuten vorne liegt, hat gewonnen.

In den USA ist diese Form des Basketballs schon seit Jahrzehnten populär. Hauptsächlich in den schwarzen Ghettos träumten und träumen junge Spieler davon, über den Sport den Sprung ins Profilager zu schaffen. Noch immer sind über drei Viertel aller Spieler der NBA (National Basketball Association), der höchsten US-amerikanischen Spielklasse, schwarz. Doch das Wort Streetball wird man auf den amerikanischen Courts nicht hören. Denn zumindest begrifflich wird dort zwischen Basketball in der Halle und draußen kein Unterschied gemacht. Jan Runau, der Pressesprecher, sagt denn auch: „Ohne adidas gäbe es kein Streetball.“ Die adidas- Streetball-Challenge-Tour durch die Großstädte Deutschlands sei Teil einer Image-Kampagne, mit der die Zielgruppe der 12- bis 20jährigen angesprochen werden solle. So wurde das Streetball- Konzept entwickelt, um auch noch auf den in voller Fahrt rasenden Basketballzug aufspringen zu können. Das hat sich adidas eine ganze Stange Geld kosten lassen: Irgendwas zwischen einer und zehn Millionen Mark wendeten die Sportartikel-Hersteller aus Herzogenaurach auf, um die Streetball- Turniere in den deutschen Großstädten Hamburg, Stuttgart, München, Dortmund, Frankfurt und jetzt in Berlin zu veranstalten.

Bei diesen Turnieren soll es betont locker zugehen. So wird außer den Spielen jede Menge spektakuläre Unterhaltung geboten, die nach der einfachen Formel „Amerikanisch ist jugendlich ist In ist gut“ ausgewählt scheint: Besonders die Verbindung von Streetball und HipHop liegt den Veranstaltern am Herzen, die mit den „4 Reeves“ und den „2 Faces“ gleich zwei Rap-Gruppen aufbieten. Angereichert wird das ganze mit dem NBA-Star Dikembe Mutombo, einer „Skateboard-Fire-Show“, einer Breakdance-Darbietung, einem BMX-Rad-Europameister, Cheerleaders, etlichen Wettbewerben und Ratespielen. Als Überraschungsgäste, so halten sich Gerüchte, wird ein Teil der „New Kids on the Block“ zum Sackhüpfen auf der Bühne erwartet.

adidas ist dabei nicht der einzige, der auf die Zugkraft des Basketball setzt: Ob Lufthansa oder Coca-Cola, MTV oder Radio Fritz!, Sony oder Siemens, die Bild-Zeitung oder Kaufhof, sie alle sind auf die eine oder andere Art am Platz vor dem Olympiastadion vertreten. Selbst die Olympia GmbH hofft, daß auch für sie noch ein paar Sympathiebröckchen abfallen könnten. Und die Aktion „Keine Macht den Drogen“ setzt ebenfalls auf das positive Image, warnt im Namen des „Streetball- Ministers“: „Der Genuß von Drogen beeinträchtigt die Flugeigenschaften.“

Mit von der Partie ist auch der Basketball-Verband Berlin. Dabei haben die Berliner Basketball- Vereine schon seit einiger Zeit einen solchen Zulauf, so daß sie zum Teil keine Jungen zwischen 14 und 17 Jahren mehr aufnehmen. Doch nicht Streetball sei der eigentliche Grund für diesen Erfolg, sagt Andrea Seefeld, Geschäftsführerin vom TuS Lichterfelde: „Allein nach den letzten Olympischen Spielen hatten wir, wahrscheinlich wegen des Rummels um das amerikanische Dream Team, 120 Anrufer, die in den Verein eintreten wollten. 100 davon mußten wir ablehnen, wir haben so schon zuwenig Hallen.“ Beim Basketball-Verband wartet man jetzt zum Schulanfang wegen des Gewinns der Europameisterschaften durch die deutschen Männer auf eine ähnliche Situation. Nach dem Streetball-Turnier in Berlin im letzten Jahr konnten die Vereine ebenfalls eine gestiegene Anfrage vermelden. Doch gute Streetballer sind nicht automatisch gute Vereinsspieler, sagt Oliver Zimpel, Trainer und Spieler beim VfB Hermsdorf. „Harte Streetballer haben ihren eigenen Kopf, und es ist eben einfach etwas anderes, aus Spaß auf der Straße zu spielen oder mit zehn anderen eine Saison diszipliniert durchzustehen.“ Umgekehrt geht es wohl leichter, so sind immerhin 41 Prozent der gemeldeten Spieler beim Turnier Vereinsspieler, die sich dieses Turnier nicht entgehen lassen wollen. Streetball ist eben, um noch mal Jan Runau zu zitieren, der Hit für Kids in diesem Sommer. Das älteste Kid an diesem Wochenende ist gerade mal 49 Jahre alt. Martin Böttcher