■ Ein Blick zurück
: Anfänge des Sports

Vom modernen Sport spricht man, seit sich die Leibesübungen Technik, Regeln und Institutionen geschaffen haben. Der Ursprung ist in England zu suchen. 1883 erschien dort das erste Trainingsbuch mit dem Titel „The pedestrianism or an account of the performances of celebrated pedestrians“. Der Aufschwung des „pedestrianism“ geht einher mit der fortschreitenden Industrialisierung und bezieht sich auf die ihr inhärenten Normen und Strukturen, wie etwa rationales Denken, technischer Fortschritt, abstrakte Zeitordnung und eine auf Kapitalanhäufung ausgerichtete Ökonomie. Vor allem in Städten wie Berlin und Hamburg, in denen viele Engländer wohnten, entwickelte sich der Sport in Deutschland weiter, nachdem das Turnen, ein Sammelbegriff für Leibesübungen jeder Art, 1820 verboten worden war.

Konstitutiv für den modernen Sport ist nicht die Bewegung, sondern der Kontext und seine Werte: so das Streben nach Rekorden, was eine Vergleichbarkeit der Leistung voraussetzt, weshalb Geräte, Strecken und Sportstätten standardisiert, Vereine und Verbände aus der Taufe gehoben wurden. 1913 beispielsweise wurde der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) gegründet. Die Leichtathleten waren zunächst in Parks, auf Exerzierplätzen des Militärs, Pferderennbahnen und Velodromen zu Hause. 1906 entstanden in Hannover und Frankfurt die ersten Aschenbahnen Deutschlands und 1911 in Dresden die erste normierte 400-m-Bahn. In ihren Anfängen war die Leichtathletik eine reine Laufbewegung. Zehn Jahre lang gab es nationale Titelkämpfe nur über die Laufstrecken. Die erste überlieferte Zeit wurde kurz nach Erfindung der Stoppuhr fixiert: Am 27. Juli 1867 lief der Brite Mac Laren 100 m in 11,0 Sekunden. Das Zeitalter der elektronischen Zeitmessung begann definitiv in Tokio 1964.

Zunächst wurde die Chancengleichheit sehr ernst genommen: Schlechteren Läufern wurde, in Anlehnung an die Handikapläufe im Pferdesport, eine Vorgabe gebilligt. Lange gab es – aus heutiger Sicht – Kuriositäten wie das Dreibeinspringen, bei dem die beiden inneren Beine zweier Läufer aneinander gebunden wurden. Es dauerte Jahre des Experimentierens, bis sich moderne Techniken herausbildeten und die volkstümlichen Übungen à la Turnvater Jahn und Guts-Muths ablösten. Damit wurde auch die Körperästhetik nachrangig. Statt um Noten für den künstlerischen Ausdruck ging es nun um Zeiten, Weiten und Höhen. Dem amerikanischen Olympiasieger Thomas Burke ist der Tiefstart zu verdanken. Die Hürdenläufer sprangen im britischen Sliding-Stil über Weidezäune. Die Läufer begannen die Massen zu faszinieren — wie der Finne Paavo Nurmi, der in den 20er Jahren 22 Weltrekorde aufstellte, neun Gold- und drei Silbermedaillen bei Olympischen Spielen holte.

In den technischen Disziplinen mußten sich die leichten Athleten erst von den schweren Kraftathleten abgrenzen. Das gelang, als bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit Speer und Diskus aufgenommen wurden. Die technische Entwicklung wurde lange gebremst von einer starken Anlehnung an die Antike: So gab es den Gerwurf (aus dem Stand) oder den Balancierwurf (der Speer wurde auf dem Zeigefinder balanciert und auf dem Daumenballen abgestützt). Und im Weitsprung meinte man, man müsse beim Satz in die Sandgrube wie die alten Griechen die Arme mit Gewichten beschweren.coh